Fremdbebildert

Google und Microsoft garnieren ihre Online-Kartendienste Google Maps und Bing Maps zunehmend mit georeferenzierten Nutzerfotos aus Online-Communities wie Flickr. In Deutschland kann das problematisch sein.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Joerg Heidrich
Inhaltsverzeichnis

Wer urheberrechtlich geschützte Inhalte eines Dritten – etwa Fotos – auf seine Website übernehmen will, braucht dazu die explizite Erlaubnis des Rechteinhabers. Allerdings gibt es von dieser Regel auch Ausnahmen. Hierzu gehören insbesondere die vor einigen Jahren ins Leben gerufenen Creative-Commons-Lizenzen (CC). Ziel dieser Initiative ist, mit vorgefertigten Lizenzverträgen eine Hilfestellung für die Veröffentlichung und Verbreitung digitaler Medieninhalte anzubieten. Dabei soll jenseits der starren Fesseln des herkömmlichen Urheberrechts ein kreativer Umgang mit Medien möglich werden. Dass nun aber ausgerechnet die Konzerne Microsoft und Google zu den Profiteuren von CC-Lizenzen gehören, hatten sich deren Schöpfer vermutlich auch nicht gedacht.

Potenzielle Nutzer von CC-Lizenzen können sich beim Veröffentlichen ihrer Werke auf Foto-Communities wie Flickr, Picasa oder Photosynth.net zwischen sechs verschiedenen Nutzungsmodellen entscheiden. Zunächst wird danach unterschieden, ob der Schöpfer eines Bildes, Textes oder einer Grafik diese nur für die nichtkommerzielle oder auch für eine kommerzielle Nutzung durch Dritte freigeben will. Zudem muss er sich entscheiden, ob er auch ein Bearbeitungsrecht einräumen will oder nicht. Schließlich kann er auch noch auf den Passus „Weitergabe unter gleichen Bedingungen“ bestehen, was eine weitere Nutzung nur dann erlaubt, wenn das Ergebnis ebenfalls unter CC gestellt wird. Gilt dagegen das „normale Urheberrecht“, so müsste für die Nutzung von geschützten Werken ebenso wie für die Weitergabe und Bearbeitung jeweils die Erlaubnis des Rechteinhabers gesucht werden.

Ob die beiden wohl wissen, dass sie auf dem Stadtplan von Seattle in Bing Maps online zu sehen sind? Die Verpixelung stammt von uns, in Microsofts Kartendienst kann man die Personen deutlich sehen.

Eine Verwendung fremder Bilder unter CC-Lizenz in Bing Maps und Google Maps ist ohne Zustimmung des Urhebers möglich. Dabei kommen nur die gewerblichen Lizenzen in Frage. Zudem darf nicht die Weitergabe unter gleichen Bedingungen gefordert werden, da die Unternehmen ihr gesamtes Angebot wohl kaum unter Creative Commons Lizenzen stellen wollen. In jedem Fall muss ausdrücklich der Name des Urhebers genannt werden. Google Maps setzt diese Verpflichtung derzeit vorbildlich um und benennt den Fotografen ausdrücklich als Rechteinhaber. Nachholbedarf für den deutschen Markt gibt es hier noch bei Bing, wo der Name des Flickr-Fotokünstlers nur in einem kleinen Frame genannt wird. Stattdessen prangt auf dem Gesamtbild ein wenig glückliches Copyright-Zeichen, das auf „Microsoft 2010“ verweist.

Das Recht am eigenen Bild garantiert, dass jeder Mensch grundsätzlich selbst darüber bestimmen darf, ob überhaupt und in welchem Zusammenhang Bilder von ihm veröffentlicht werden. Es gibt allerdings eine Reihe von Ausnahmen: So ist eine Veröffentlichung etwa ohne Einwilligung des Abgebildeten zulässig, wenn dieser an „Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen“ teilnimmt. Gleiches gilt, wenn eine Person nur als „Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit“ auf einem Bild erscheint. Ein „Beiwerk“ wären Personen laut Rechtsprechung dann, wenn ihre Abbildung auch wegzudenken wäre, ohne dass dies den Charakter des Gesamtbildes ändert. Diese Definition ist allerdings derartig schwammig, dass sich eine genaue Feststellung allenfalls im Einzelfall vornehmen lässt.

Steht eine Person eindeutig im Mittelpunkt des Bildes und ist sie klar zu erkennen, muss vor der Veröffentlichung die Einwilligung des Abgebildeten eingeholt werden. Sie wird nur dann unterstellt, wenn jemand gegen Geld Modell steht. Ansonsten muss der Fotograf im Zweifelsfall den Nutzern des Bildes die explizite Erlaubnis des Abgebildeten nachweisen.

Es liegt auf der Hand, dass Microsoft oder Google nicht in der Lage sind, bei jedem einzelnen Bild die Erlaubnis des Abgebildeten einzuholen. Die Unternehmen verweisen insoweit auf die Verantwortlichkeit der Fotografen. Denn diese müssen beim Hochladen ihrer Bilder auf eine Foto-Community stets versichern, dass dabei „keine Rechte Dritter“ verletzt werden. Es fragt sich allerdings, ob den meisten von ihnen tatsächlich bewusst ist, dass diese „Rechte Dritter“ nicht nur die des Urhebers umfassen, sondern eben auch Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten.

Daher landen wahrscheinlich auch solche Motive bei den beliebten Online-Kartendiensten, bei denen die abgebildeten Menschen mit einer solchen Nutzung keineswegs einverstanden sind. Betroffene könnten – notfalls auch gerichtlich – von Google oder Microsoft verlangen, die Bilder nicht mehr zu verwenden, und von der betreffenden Community fordern, das Bild zu löschen. Pikant ist dabei die Frage, ob die Kartenanbieter dann vom Urheber des Bildes einen Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verlangen könnten. Möglich wäre dies zumindest dann, wenn zwischen ihnen und dem Community-Mitglied eine vertragliche Vereinbarung besteht, in deren Rahmen sich dieser zur oben genannten Einhaltung von Rechten Dritter verpflichtet.

Entstammt ein fragwürdiges Bild beispielsweise Flickr, so ist dies nicht der Fall, denn Flickr gehört zum Yahoo-Konzern. Anders könnte die Rechtslage aber dann aussehen, wenn das Foto über Picasa oder Photosynth abgerufen werden kann, denn die erstgenannte Community wird von Google betrieben, die letztere von Microsoft. Durch Hochladen von Fotos und Bestätigen der Nutzungsbedingungen entsteht eine direkte vertragliche Bindung zwischen Kartenanbieter und Community-Mitglied. Es wäre daher zumindest in der Theorie möglich, dass sich diese Unternehmen für Rechtsverletzungen am jeweiligen Uploader schadlos halten. In der Praxis ist dies allerdings schon aus Image-Gründen reichlich unwahrscheinlich.

In Deutschland könnten die Kartenanbieter die Frage der Einwilligung auch dadurch umgehen, dass die Abgebildeten verpixelt werden. Hierfür müssen die Bilder allerdings unter einer Lizenz mit Bearbeitungsrecht stehen, zudem muss die Verfremdung so umfangreich ausfallen, dass die abgebildete Person nicht mehr zu erkennen ist. Der in den Medien gerne verwendete schwarze Balken reicht in vielen Fällen nicht aus. (pek)