Mikroben zum Abschalten

Biologen der Universität Boston haben einen universellen Genschalter entwickelt, mit dem sie den Zelltod von Bakterien programmieren oder die Bildung beliebiger Proteine genau regeln können.

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Von
  • Katherine Bourzac

Biologen der Universität Boston haben einen universellen Genschalter entwickelt, mit dem sie den Zelltod von Bakterien programmieren oder die Bildung beliebiger Proteine genau regeln können.

Biologen beschreiben Mikroorganismen gerne als programmgesteuerte Maschinen. Man müsse nur den passenden – genetischen- Schalter finden, und schon produzierten sie Medikamente oder Biokraftstoffe nach Maß. Diese Ausdrucksweise verschleiert allerdings, dass sich „abgeschaltete“ Gene kaum reaktivieren lassen, was nicht nur die Kontrolle über Mikroben einschränkt, sondern auch die Möglichkeit, ihnen neue Fähigkeiten einzuprogrammieren.

Forscher der Boston University um den Genetiker James Collins wollen dieses Problem nun mit einem reversiblen Genschalter beheben. Mit dessen Hilfe können sie die Produktion eines Proteins nicht nur anhalten, sondern auch wieder in Gang setzen. Der Schalter lässt sich auf jedes beliebige Gen anwenden und ermöglicht sogar ein Dimmen: So wie man die Helligkeit von Lampen je nach Stimmungslage herunterregelt, könnten Biotechniker auch die Menge der Proteinproduktion justieren.

Die Bostoner Forscher haben ihren Ansatz mit einem „Kill Switch“ demonstriert, einem genetischen Aus-Schalter, hinter dem die Wissenschaft seit Jahren her ist. Damit soll verhindert werden, dass umprogrammierte Mikroorganismen aktiv bleiben, wenn sie ihre Schuldigkeit getan haben. Die bisherigen Ansätze für einen solchen Schalter erwiesen sich aber als nicht rigoros genug, um eine Zulassung von Aufsichtsbehörden zu bekommen. Es gelang nie, den Schalter in allen Zellen einer Mikrobenkolonie gleichzeitig zu aktivieren. „Man möchte aber eine komplette Population regulieren“, sagt Dan Robinson von Joule Unlimited, einem Start-up, das Mikroben mittels Sonnenlicht Kraftstoffe herstellen lassen will.

Der Schalter der Collins-Gruppe, der jetzt in den (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht worden ist, besteht aus kurzen DNA-Sequenzen, die einem Gen hinzugefügt werden. Bildet das erweiterte Gen das zugehörige RNA-Molekül, das einem Ribosom die Informationen zur Bildung eines Proteins übermittelt, entsteht zugleich auch ein RNA-Schaltermolekül. Dieses heftet sich als „Aus“-Kommando an das Ribosom und verhindert die weitere Bildung des Proteins. Entsteht an dem Gen hingegen ein RNA-Schalter, der für „An“ steht, entfernt dieser die „Aus“-RNA vom Ribosom. Dieses kann dann wieder das Protein aus Aminosäuren zusammenbauen.

Auf welche Chemikalien in der Umgebung eines Bakteriums der Genschalter reagieren soll, können die Forscher bei der Konstruktion der entsprechenden DNA-Sequenzen festlegen. Zudem ist es möglich, das Bakterium „Aus“- und „An“-RNA-Moleküle zugleich produzieren zu lassen. Darüber lässt sich dann einstellen, in welcher Menge der Einzeller das gewünschte Protein erzeugt.

Im Unterschied zu bisherigen Schaltern lasse sich der neue auf jedes Gen anwenden, versichert James Collins. Das liege daran, dass bisherige Schalterkonzepte Proteine als Regler nutzten. Deren Bildung dauere aber länger als die von RNA-Molekülen, weil mehr Zwischenschritte nötig seien. Deshalb sei der RNA-vermittelte Schalter schneller, so Collins.

Der Selbstzerstörungsmechanismus, den seine Gruppe als Prototyp konstruiert hat, nutzt zwei Gene. Sind beide aktiv und exprimieren ihr jeweiliges Protein, platzt die Zelle auf und stirbt. Der Schalter wird aber erst von einem chemischen Stimulus in Gang gesetzt – solange dieser fehlt, produziert der Genschalter nicht die RNA-Sequenzen, die für „Proteinproduktion an“ stehen.

Der Kill-Schalter könnte nützlich für Mikroben sein, die zum Beispiel Umweltschadstoffe zersetzen sollen. „Wenn die Einzeller ihre Aufgabe erledigt haben, könnte man die Fläche mit einer chemischen Substanz besprühen, die den Schalter aktiviert und damit den Zelltod auslöst“, sagt Collins. Der neue Schalter ließe sich auch mit anderen genetischen Bausteinen aus dem Repertoire der Synthetischen Biologie kombinieren. So könnte man Mikroorganismen auch ein Verfallsdatum einprogrammieren: Der Zelltod tritt dann nach einer zuvor festgelegten Anzahl von Tagen ein.

Solch ein Schalter würde seine Arbeit erleichtern, freut sich Dan Robinson. Genetisch umprogrammierte Einzeller, wie sie Joule Unlimited entwickelt, wären dann mit gesetzlichen Vorgaben vereinbar, die eine mögliche Ausbreitung von genmanipulierten Organismen verhindern sollen.

Collins will nun die Schalter in komplexere Genschaltkreise integrieren. „Wir möchten Gene wie mit einem Potentiometer steuern“, sagt er. Solche Schaltkreise könnten dafür sorgen, dass eine Bakterienpopulation erst ihre Energie für ihr Wachstum aufwendet, um ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Produktion von Biodiesel überzugehen.


Das Paper:
Callura, J. et al., „Tracking, tuning, and terminating microbial physiology using synthetic riboregulators“, PNAS, 17.8.2010 (Abstract) (nbo)