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Was war. Was wird.

Die Erde ist flach, flach wie eine Scheibe. Daher denken die Menschen, die auf ihr Leben, auch flach. Oder nicht? Hal Faber hat seine Zweifel. Aber da wird die Obrigkeit schon noch einschreiten, gegen so einen Miesepeter. Mit eTriage und Future Security bekommt sie auch das in den Griff.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Deutschland ist wieder ein Stückchen dümmer geworden. So geht das schon Woche für Woche, weil ein sozialdemokratischer Bundesbanker aus der Lupe seines Schulrechenstabes eine Brille gebastelt hat, durch die er die Welt sieht und berechnet, das Ganze zum Lobe der naturwissenschaftlichen Intelligenz. 2030 wird Deutschland völlig verdummt sein, ohne dass das Internet daran Schuld ist, das sonst ja für jede Blödheit als Argument herhalten muss. Auch Google und seine Opel können nix dafür, dass Deutschland verblödet. 2030 wird offiziell verfügt werden, dass die Erde eine Scheibe ist und für andere Behauptungen eine Rundungssteuer gezahlt werden muss, zusätzlich zur Genausgleichsteuer, die aber nur von Negern zugunsten der darbenden deutschen Milchzuckerwirtschaft erhoben wird. Grundlegende genetische Zusammenhänge werden auf diese Weise ausgeglichen und füllen das Säcklein unseres Finanzministers. Vergessen wir dabei nicht die erweiterte Vergnügungssteuer, die neben der GEMA-Gebühr von Musikbands fällig wird, die fremdländisch singen, dabei Instrumente benutzend, die nicht im Vergnügungsgerätekatalog der Zollbeamten stehen.

*** Wenn Deutschland 2030 völlig verdummt sein wird, ergibt sich die Frage, wie es um die Intelligenz anno 2010 bestellt ist. Bedenkliche Zeichen der Verblödung sind unverkennbar: Heute diskutieren Menschen in Talkshows, ob es ein Basken-Gen gibt, dass die Menschen zum Ausliefern von Hinkelsteinen treibt und bei Männern schwarze Plattmützen mit Stummeln zur Folge hat. Der Pöbel diskutiert derweil in der Tageszeitung für klare Meinungen die Sache mit den Aschkenasen.

*** Auch im edelsten Teil Deutschland, dem demokratisch gewählten deutschen Parlament, finden sich Anzeichen dafür, dass der IQ sinkt: "Der Luftverkehrssteuer unterliegt ein Rechtsvorgang, der zum Abflug eines Fluggastes von einem inländischen Standort mit einem Flugzeug oder Drehflügler durch ein Luftverkehrsunternehmen zu einem Zielort berechtigt." Ausgenommen von der Steuer sind Bask^H^H^H Bundeswehrsoldaten, Kleinkinder und Inselbewohner, deren Insel keinen brückenartigen Zugang zu einem Festland besitzt, auf dem ein Hafen für Flugzeuge oder Drehflügler liegt. Aber hey, ein Lied kann eine Brücke sein.

*** Natürlich gehören Frachtflieger, Business-Jets, Militärtransporte und die Flugbereitschaft der Bundeswehr zu den Ausnahmen bei den Einnahmen im Namen des "Umweltschutzes", zu deren Kontrolle 140 neue Zollbeamte eingestellt werden. Eine Milliarde Euro Einnahmen wollen korrekt berechnet werden: Nach den Mautflüchtlingen müssen die Luftflüchtlinge verfolgt werden, die sich in der Huschebahn als Bahnfahrer tarnen oder von Nachbarländern aus zu Langstreckenflügen im Stehen starten.

*** Deutschland wird dümmer hat steuerlich gesehen eine glänzende Perspektive, weit über die neue Bettensteuer hinaus: Wenn Intelligenz ein knappes Gut wird, ist eine Intelligenzsteuer der nächste naheliegende Schritt, gestaffelt in eine Intelligenzentlastungssteuer nach der Sarrazin-Skala und eine Intelligenzzuschlag nach dem Sloterdijk-Pegel. Das Ganze hat auch praktische Konsequenzen: vollkommen verblödet wird niemand mehr nach dem Sinn etwa einer Steuer auf Digitalfotos nach dem Dateiverkehrsgesetz fragen und bei der Geschwindigkeit im Internet dürfte eine milde Breitbandabgabe das Herz von Minister Schäuble erfreuen. Es gibt so viele Möglichkeiten, das böse Wort von der Vermögenssteuer zu vermeiden, packen wir's an!

*** "Mehr Kinder von den Klugen, bevor es zu spät ist!" – und ein Bildungschip für die anderen? Das kann doch keine Lösung sein. Wie sich zeigt, besteht der vorbildliche Stuttgarter Bildungschip aus mehreren "Geldbörsen" und einem eigens entwickelten Lesegerät, dessen Hersteller bei insgesamt 250 eingesetzten Geräten nicht zufrieden ist und sich aus dem Geschäft zurückziehen will. Wie wunderbar passend kommt die Gelegenheit um die Ecke, mit einem bundesweiten Chip und dem einheitlichen Laden von Geldkarten für die Industrie wieder attraktiv zu werden. Kinder, welch eine Überraschung! Die Reichen und die Klugen können die Börsen fett auffüllen, und es fällt gar nicht auf, wieviel Geld für den Theatergang gespeichert ist: HighTech für die High Society!

*** Bei aller Aufregung um Thilos trotziges Traktat über die soziale Triage ist die Geschichte mit Street View leise weitergerollt. Dabei hat unser aller Innenminister extra für den heißen Herbst einen wunderschönen Internet-Beantwortungsdienst gestartet und ist ganz Ohr, bis zum 14. September. Die Fragen werden bewertet und die besten nimmt unser Minister zu einem Spitzengespräch mit, auf das ein Spitzenvideo mit dem Minister folgen wird. Der Dienst soll seit Tagen rege genutzt werden, auch wenn mir ein ignorantes Gästebuch laufend erzählt, dass keine Antworten vorhanden sind. Möglicherweise arbeitet man datenschutzbewusst nach BSI-Richtlinien an der ordentlichen Pseudonymisierung der Fragen.

Was wird.

Hinein geht es in eine volle Woche, an deren Ende ordentlich marschiert werden will: Die Großdemonstration Freiheit statt Angst wälzt sich durch Berlin auf der Suche nach der freien und offenen Gesellschaft, die uns im Namen einer angeblichen Sicherheit gründlich ausgetrieben wird. Die Bürgerrechtler wollen, dass die Bürger ordentlich Zoff machen und merken, was für ein Placebo diese Sicherheit per Vorratsdatenspeicherung ist. Im Umfeld zur Demo rufen Cyber-Aktivisten zu einer Aktion auf, die technisch eigentlich nicht möglich sein sollte: Die Online-Durchsuchung des Bundeskriminalamtes ist von einem ähnlichen Gedanken getragen wie das Zurückfotografieren auf Demonstrationen. Dass dabei die Server des BKA geknackt werden, glauben doch hoffentlich die Initiatoren der Aktion nicht selber, die nach eigenen Angaben IT-Fachleute sind. Aber bitte, es gibt auch Journalismus-Studenten, die die Lektüre von Spiegel Online für ausreichend halten.

Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin – das singen nicht nur die Demonstranten in den Bussen, sondern auch die europäischen Sicherheitsforscher, die auf der Future Security über den Einsatz von Scannern beraten, die Nacktheit symbolisch umrechnen. Darf es ein bisschen bonner sein? Auf dem Katastrophenschutzkongress in Bonn wird nicht nur über die Sicherheitsforschung in Deutschland diskutiert, sondern auch laufende Projekte wie eTriage vorgeführt, bei der Rettungssanitäter sich schnellstens zur elektronischen Gesundheitskarte von Verwundeten durcharbeiten.

Was uns zum Schluss der kleinen Wochenschau nach Mannheim verschlägt. Dort tagen die medizinischen Informatiker und beraten sich über die elektronische Gesundheitskarte und die Sicherheit der telematischen Infrastruktur. Das Sicherheitsgutachten über die Gesamtstruktur ist bei der Gematik abgegeben worden und listet ein "paar Mängel" auf, die angesichts der Größe des Projektes als "völlig normal" charakterisiert werden. Gebongt. Wir sind alles nur Menschen, mit kleinen Fehlern. Auch die Erde ist nicht vollkommen rund, ehe sie 2030 wieder zur Scheibe zurückerklärt wird, komplett mit dem Unsinn, dass ein Gott den Lichtschalter suchte. Bei Lichte besehen hat Stephen Hawking wohl recht, wenn er den Menschen in diesem winzig kleinen Teil des Kosmos zum Herren der Schöpfung ausruft. Denn er entdeckt, beschreibt und erklärt alle Naturgesetze, die in diesem Universum gelten.

Achja, am kommenden Entdeckertag singt die Jazzerin Joy Fleming "unter dem Schwanz" in Hannover. Von ihr stammen die tübischen Versatzstücke, die diesen kleinen Wochenrückblick auflockerten. Gegen einen Kotzbrocken von Rockstar hilft es allemal. Und wenn es um Konzerte geht, sollte die Duisburger Tragödie nicht vergessen werden, die diesen deutschen Sommer überschattete. Inzwischen ist man bei der Farce angelangt. Wenn Deutschland immer dümmer wird, sind seine Politiker (und Journalisten) von der Entwicklung nicht ausgeschlossen. (jk)