Experte warnt vor Harmonisierung des Patentrechts

Jerome Reichman von der Duke University School of Law schilderte heute zum Auftakt eines dreitägigen Forums bei der World Intellectual Property Organisation seine Befürchtungen gegenüber Bestrebungen zur weltweiten Vereinheitlichung des Patentrechts.

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Von
  • Monika Ermert

Eine neue Runde zur globalen Harmonisierung des Patentrechts würde Entwicklungsländern schaden, aber nicht nur ihnen. Vielmehr hätte sie extrem negative und kontraproduktive Effekte für "eben die Länder, die besonders aggressiv Druck für eine solche Runde multilateraler Verhandlungen zum geistigen Eigentum machen". Das sagte der Jurist und Patentrechtsexperte Jerome Reichman von der Duke University School of Law heute zum Auftakt eines dreitägigen Forums zum Entwurf eines Substantive Patent Law Treaty (SPLT) bei der World Intellectual Property Organisation (WIPO) in Genf.

Der Streit um die Vereinheitlichung nationaler Patentgesetze schwelt seit 2001 im zuständigen WIPO-Patentrechtskomitee (Standing Committee on the Law of Patents), insgesamt reichen die Harmonisierungsforderungen aber noch länger zurück. Die USA, Europa und Japan wollen nun eine Harmonisierung wenigstens der folgenden Teilaspekte vorantreiben: die Definition vom Stand der Technik (prior art), Neuheitsschonfrist (grace period), Neuheit (novelty) und Nicht-Offensichtlichkeit/Erfinderischer Schritt (non-obviousness/inventive step).

Das Forum befasst sich in den folgenden Tagen auch mit Softwarepatenten. Jonathan Zuck, in der Szene als Lobbyist für Microsoft bekannt, sagte als Vertreter der Organisation Association for Competitive Technology (ACT): "Freie Software hat eine Rolle gespielt bei der massenhaften Verbreitung, aber wenn die Offenlegung des Sourcecodes zu früh kommt, kann das zum Innovationshemmer werden." Mit Blick auf ein für Entwicklungsländer angepaßtes Schutzniveau sagte Zuck, man werde schließlich auch nicht den Drogenhandel legalisieren, nur weil dieser bei entsprechendem Florieren auch in legale Geschäfte investiere. Gerade die von ihm vertretenen Mittelständler, so Zuck, seien dringend auf eine Harmonisierung des Patentrechtes angewiesen, um mit den großen Firmen entsprechend konkurrieren zu können.

Reichman dagegen warnte mit einem Blick auf die Patentpraxis in den USA vor einer schnellen Harmonisierungsrunde. "Was wir brauchen, ist vielmehr ein Phase des offenen Experimentierens und Suchens nach Best Practices und eben nicht die Übernahme von Standards, die auf völliger Unkenntnis der Effekte und schlichter Machtpolitik basieren." Ganz abgesehen von den beschriebenen negativen Konsequenzen für die Entwicklungsländer hätten Studien über die Effekte der Patentpraxis in den USA erhebliche Behinderungen von Forschung und Entwicklung zu Tage gefördert.

"Praktisch jeder, der ein Patent will, bekommt es auch," so das Ergebnis einer Studie. Wissenschaftler im Bereich der Biotechnologie versuchten inzwischen massiv, sich gegen diese Praxis zur Wehr zu setzen, so Reichmann. Er verwies auf ein vom US-Biotechnologie-Professor Andrew Chin veröffentlichtes Verzeichnis, das Standardtechniken bei der Isolierung von DNA-Molekülen aufführt, um angeblich patentierfähige Varianten davon zu entlarven. Der andere Ausweg, den US-Wissenschaftler laut Reichman wählen, besteht darin, sich schlicht nicht mehr um das Dickicht von Patentansprüchen zu scheren, die ihnen den Zugang zu biologischem Material für ihre Forschung verwehren.

"Es ist nicht besonders beruhigend, wenn man erfährt, dass das riesige System öffentlich geförderter Forschung in den USA rechtlos vor sich geht und daher jeden Moment durch eine verärgerte Firma gestoppt werden kann", so Reichman. Angesichts des inneramerikanischen Streits um die Verbesserung der Patentqualität wünsche er auf jeden Fall viel Spaß auf internationaler Ebene, warne aber doch eher vor dem Export eines derart dysfunktionalen Systems in alle Welt.

Präsentationen von Vertretern des südkoreanischen Patentbüros und der japanischen Patentinhaber-Organisation JIPO, die einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Anzahl von Patentanmeldungen behaupteten, trat auch der britische Genom-Forscher John Sulston entgegen. Er warnte: "Unterschiede zu beseitigen, mag für eine Mehrheit derjenigen von Vorteil sein, die Patente anmelden wollen, weil der Prozess einfacher wird. Aber für den Rest von uns könnte es nicht so gut sein und auch nicht für alle Patentinhaber." Eine Einigung auf ein ideales System sei kaum möglich, vor allem aber brauchten Länder mit unterschiedlich entwickelter Wirtschaft unterschiedliche Systeme.

Sulston, der als Vizepräsident des Human-Genome-Projekts gegen die Privatisierung von Gensequenzen durch Celera gestritten hatte, riet auch dazu, alternative Systeme wie die GPL und die Science Commons (eine Wissenschaftlerlizenz der Creative Commons) innerhalb der WIPO ebenso zu fördern wie das klassische Patentsystem. Auch darüber wird in den kommenden drei Tagen gestritten. Ein Vertreter der Lobbyorganisation Business Software Alliance sagte, diese Lizenzen bedienten sich letztlich nur der klassischen Systeme des geistigen Eigentums.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente in Europa und die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Monika Ermert) / (anw)