Kritik an Vorschlägen des Europarats zum IT-Infrastrukturschutz

Staaten sollen sich nach Ansicht einer Europarat-Arbeitsgruppe dazu verpflichten, kritische Internetressourcen grenzübergreifend zu sichern. Kritiker meinen, das könne zur Massenüberwachung führen.

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Von
  • Monika Ermert

Der Europarat hat viel Kritik für seinen auf dem 5. Internet Governance Forum (IGF) in Wilna vorgestellten Vorschlag eingesteckt, den grenzübergreifenden Schutz kritischer Netzinfrastrukturen per Konvention zur Staatsaufgabe zu machen. Jovan Kurbalija, Direktor der DIPLO Foundation, einem Genfer Think Tank zur Netzpolitik, warnte, er könne den internationalen Gerichten auf einen Schlag über tausende neue Verfahren bescheren.

Der Vorschlag kommt von einer nach der Ministerkonferenz in Reijkjavik eingerichteten Arbeitsgruppe des Europarats. Die Warnungen beziehen sich vor allem auf den Teil, in dem es um die "Pflichten von Staaten bezüglich des Schutzes kritischer Internetressourcen in grenzübergreifenden Zusammenhängen" geht. Staaten sollen sich demnach allgemein dazu verpflichten, gemeinsam mit anderen Schaden von der Internetinfrastruktur abzuhalten. Sie müssten auch angemessene Maßnahmen treffen, Internetnutzer ihres Landes von der Beteiligung an Cyber-Attacken und anderen Formen böswilliger Aktionen abzuhalten, "die einen erheblichen, grenzüberschreitenden Einfluss für die Stabilität, Sicherheit und Widerstandsfähigkeit und die Internetfreiheiten eines anderen Staates bedeuten würden". Regierungen sollten dafür haftbar gemacht werden.

Kurbalija meinte, Konzepte aus dem internationalen Umweltrecht seien wohl nicht übertragbar, bei denen Staaten für mögliche Verschmutzungen im Nachbarstaat belangt werden können. Rolf Weber, juristischer Experte der Europarat-Arbeitsgruppe, verwies demgegenüber auf eine Entscheidung des internationalen Gerichtshofes, nach der der Iran verantwortlich war für Angriffe seiner Staatsbürger auf die US-Botschaft, da er nicht für genügend Polizeischutz gesorgt hatte. Bill Drake, Experte für internationale Politik am Genfer Graduate Institute for International and Development Studies, befürchtete, dass Staaten solche Verpflichtungen zum Anlass nehmen würden, massenhaft alle Netzbewegungen von Bürgern zu überwachen, zum Beispiel auch durch Deep Packet Inspection.

Ausräumen konnten die Mitglieder der Europarat-Arbeitgruppe all die Bedenken nicht. Wolfgang Kleinwächter, Leiter der Arbeitsgruppe, sagte, die Arbeit sei erst am Anfang. Wenn das Ministerkomitee das Mandat für ein zweites Jahr verlängere, werde der Text weiter verändert. Der Vorschlag habe auch provozieren sollen. Europarat-Vizechefin Maud de Boer-Buquicchio hatte betont, Unternehmen Zivilgesellschaft müssten an der Erarbeitung und Anwendung von Regeln beteiligt werden, damit die Regierungen ihre Verpflichtungen auch ausfüllen könnten. Der Europarat halte die Multi-Stakeholder-Debatten beim IGF genau deshalb für gut, weil dabei gemeinsame Positionen entwickelt werden können. (anw)