Weitere Verfassungsbeschwerde gegen den Großen Lauschangriff

Ein Binger Rechtsanwalt hält auch die Neufassung des Gesetzes zur akustischen Wohnraumüberwachung für unvereinbar mit dem Grundgesetz und hat daher das Bundesverfassungsgericht angerufen.

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Der Binger Rechtsanwalt Till Müller-Heidelberg hält auch die im Mai 2005 beschlossene Neufassung des Gesetzes zur akustischen Wohnraumüberwachung für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Der Jurist hat daher am 3. März Verfassungsbeschwerde gegen die Novelle eingelegt. Das Datum der Anrufung der Karlsruher obersten Richter hat Symbolkraft: Vor zwei Jahren erkärte das Bundesverfassungsgericht die ursprüngliche Ermächtigung der Polizei zum Großen Lauschangriff in weiten Teilen für verfassungswidrig. Im Rahmen einer langwierigen Debatte rang sich Rot-Grün in Folge unter scharfem Beschuss der Opposition zu einer Gesetzesreform durch. Diese musste sich schon damals aber scharfe Kritik etwa von Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gefallen lassen, welche die erste Verfassungsbeschwerde gegen den Großen Lauschangriff gemeinsam mit anderen FDP-Politikern eingereicht hatte und das Urteil der Roten Roben nicht angemessen umgesetzt sah.

Nach Auffassung von Müller-Heidelberg verstößt das reformierte Gesetz in mehreren Punkten gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Der Beirat der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union moniert, dass zum einen Gespräche mit "engsten Vertrauenspersonen" nicht ausreichend geschützt seien. Zum anderen ist seiner Ansicht nach "die gerichtliche Überprüfung der Verwertbarkeit so erlangter Kenntnisse" nicht gesichert. Entgegen der ausdrücklichen Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtsurteils sei zudem das automatische Abhören von Gesprächen nicht verboten, sondern werde von den Gesetzesverfassern sogar ausdrücklich für zulässig erklärt. Generell seien die Eingriffe im "absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung" so nach wie vor zu groß.

Karlsruhe hatte vor zwei Jahren den Überwachern klare Grenzen gesetzt. Gemäß dem Urteil sind etwa Gespräche mit engsten Familienangehörigen, Vertrauenspersonen und so genannten Berufsgeheimnisträgern wie Rechtsanwälten, Ärzten, Pfarrern oder auch Journalisten gesetzlich vor dem Abhören zu schützen. Da diese und andere Vorgaben ausdrücklich und unmissverständlich von den Verfassungsrichtern dargelegt und darüber hinaus dem Gesetzgeber von maßgeblichen Fachleuten im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nochmals verdeutlicht worden seien, spricht Müller-Heidelberg von "Verfassungsfeinden in Bundesregierung und Bundestag". Legislative und Exekutive wüssten schließlich in diesem Fall genau, "was sie tun". Eine weitere Verfassungsbeschwerde aus dem Umkreis der Humanistischen Union läuft seit Anfang des Jahres gegen die umstrittene Novelle der Befugnisse des Zollkriminalamts zur präventiven Überwachung von Post und Telekommunikation. Auch hier sehen die klagenden Rechtsexperten die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts bewusst missachtet. (Stefan Krempl) / (anw)