Cebit

Merkel will IT-Wirtschaft und Politik vernetzen

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat heute Abend die größte Computermesse der Welt eröffnet. Dabei forderte sie einen intensiveren Austausch zwischen der IT-Branche und der Politik.

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Ein Bilderreigen über 20 Jahre CeBIT und Grußworte von Chefs großer IT-Unternehmen, die auf der Großbildleinwand ihre Gratulationen überbrachten, leiteten die diesjährige Eröffnungsfeier zur größten Computermesse der Welt in Hannover ein. Anders als noch vor zwei Jahren gab es nun Einlagen einer menschlichen Tanzgruppe und nicht wie seinerzeit von Qrio-Robotern aus dem Hause Sony. Füllten im vorigen Jahr noch getragene Harfenklänge das Kongresszentrum (HCC), sollte der diesjährige Auftakt wohl die Anwesenden ganz nach dem Motto "Join the Vision" mitreißen. So klang nicht nur im Rückblick auf der Großbildleinwand das vor vier Jahren vom ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder gesetzte, aber in der Zwischenzeit anscheinend kaum wahrgenommene "Aufbruchssignal" nach.

Angela Merkel erinnerte zu Beginn ihres ersten CeBIT-Auftritts als Bundeskanzlerin an Alexander Graham Bell, der am 7. März vor 130 Jahren sein Patent "Improvement in Telegraphy" angemeldet und damit auch einen Grundstein für die CeBIT gelegt habe. Derlei Innovationen seien die Grundlage für Wohlstand. Heute gehe es dabei auch um die Frage, ob man sich einem wachsenden Wettbewerb stellt. Deutschland habe sich immer als "Zukunftswerkstatt" verstanden, sagte Merkel. "Daran müssen wir anknüpfen." Innovationen schafften neue Produkte, neue Produkte führten zu neuen Arbeitsplätzen. Ziel sei es, auf Dauer mehr Beschäftigung in Deutschland sowohl zu sichern als auch zu schaffen. In diesem Lichte und zumal die ITK-Branche ein "Wachstumsmotor" sei, komme der CeBIT eine große Bedeutung zu.

Merkel verkündete zudem, das Bundeskabinett habe heute beschlossen, bis zum Sommer ein neues Regierungsprogramm für die Informationsgesellschaft in Deutschland zu erarbeiten. Ein Schwerpunkt werde der weitere Ausbau der digitalen Infrastruktur sein. Mit Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr wolle Deutschland neue Impulse setzen und beispielsweise Fortschritte bei der Überarbeitung der EU-Richtlinien zur Telekommunikation erreichen.

Im Frühsommer werde ein neuer "Rat für Innovation und Wachstum" seine Arbeit aufnehmen. Das Expertengremium, das vom ehemaligen Siemens-Chef und wirtschaftspolitischen Berater der Kanzlerkandidatin Heinrich von Pierer geleitet werden soll, werde die Bundesregierung beraten und so der Notwendigkeit einer Vernetzung zwischen Politik und IT-Wirtschaft nachkommen. Es solle auch ein "nationaler IT-Gipfel" einberufen werden.

Ein besonderes Augenmerk liege darauf, die Innovationsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft zu stärken. Merkel wies auf die Initiative "Partner für Innovation" ihres Vorgängers Gerhard Schröder hin, die die neue Regierung fortsetzen wolle, und versprach einen Abbau von Bürokratie. Deutschland wolle kein Billiglohnland werden. Wenn aber das Land seinen Wohlstand halten wolle, müsse es Lösungen wie flexible Tarifverträge geben, meint Merkel. Auch müssten die Arbeitnehmer nicht nur an den Chancen, sondern auch an den Risiken eines Unternehmens beteiligt werden.

Vodafone-CEO Arun Sarin lockte den Zuhörern einen Lacher heraus, indem er auf die im Rückblick gezeigten übergroßen Mobiltelefone hinwies und sie als "Ziegelsteine" bezeichnete. Er nutzte die Reminiszenz als Ausgangspunkt, um seine Visionen zu schildern. Er bezeichnete die Mobiltelefonie als Hauptantriebsmotor der vergangenen 20 Jahre – auch sein Unternehmen wurde vor zwei Jahrzehnten gegründet. Zwei Milliarden Handynutzer bildeten das größte IT-Kundensegment der Welt. Mittlerweile übersteige unter Jugendlichen die Computernutzung den Fernsehkonsum. Dies und anderes zeige einen Trend zu mehr Kommunikation und Personalisierung auf.

Auch angesichts zunehmender Mobilität und dem Bedürfnis nach besserem Zeitmanagement werde die Nutzung mobiler Kommunikationsgeräte wichtiger werden, das zeige auch die stetig zunehmende Zahl verkaufter portabler Computer. Auf der Welt sehnten sich aber noch viele Menschen nach einem besseren und komfortableren Leben. Die Mobiltelefonie sei gerade in Märkten, die sich entwickelten, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, erläuterte Sarin. Die IT-Unternehmen hätten die große Chance, diesen Menschen Informations- und Kommunikationstechnologie und damit neue Chancen zu bringen.

Willi Berchtold, Präsident des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), beschrieb einen Bogen vom laufenden "Jahr der Informatik" zum Fußball und bezeichnete die kommende Fußball-WM als technologisches Großereignis in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Die Techniken, die zur Übertragung der Spiele in allen Telekommunikationsmedien zum Einsatz kommen sollen, seien bereits vor fünf oder zehn Jahren auf der CeBIT präsentiert worden. Von Merkel forderte Berchtold Einsatz für die europäische IT-Initiative i2010 und "Pässe, aus denen wir die Tore machen können". (anw)