Grünes Licht für die Fortführung des Großen Lauschangriffs

Bundesrat und Bundestag haben sich vor dem heutigen Vermittlungsausschuss auf einen Kompromiss bei der akustischen Wohnraumüberwachung geeinigt.

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Der Große Lauschangriff wird Strafverfolgern auch künftig prinzipiell als Ermittlungsinstrument zur Verfügung stehen. Darauf einigten sich Vertreter von Bundesrat und Bundestag vor der Sitzung des Vermittlungsausschusses am heutigen Mittwochabend in Berlin. Demnach hat die Union einem Empfehlungspapier der rot-grünen Bundesseite zugestimmt. Wie aus dem heise online vorliegenden Kompromissvorschlag hervorgeht, soll die akustische Wohnraumüberwachung demnach auch beim Verdacht auf Bildung krimineller Vereinigungen mit terroristischem Hintergrund, beim "gewerbs- oder bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln" sowie bei einer Reihe von schwerwiegenden Sexualdelikten zum Einsatz kommen. Das Höchstmaß für derlei Verbrechen wird auf 10 Jahre Haftstrafe erhöht. Bei den Sexualverbrechen strichen die Vertreter von Rot-Grün die Wunschliste des Bundesrates allerdings noch ein wenig zusammen.

Vom Tisch sind damit andere weitergehende Forderungen der Länderkammer. Der Bundesrat hatte Ende Mai etwa zusätzlich darauf bestanden, eine Maßnahme im Rahmen des umkämpften Gesetzes nach sechs Wochen weiter vom ausführenden Gericht -- und nicht von der übergeordneten Instanz -- überprüfen zu lassen. Den Verhandlungspartner saß allerdings der Zeitdruck im Nacken, sodass der Kompromiss vorgezeichnet war: Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 2004 die Wohnraumbespitzelung in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist bis Anfang Juli 2005 für eine Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen des umstrittenen Ermittlungsinstruments gelassen. Bei einem Scheitern im Vermittlungsausschuss wäre der Einsatz der Wanzen auf unbestimmte Zeit nicht mehr möglich gewesen.

Die Karlsruher Richter hatten dem Gesetzgeber den Auftrag gegeben, den "Kernbereich privater Lebensgestaltung" zu schützen. Der Bundestag änderte das ursprüngliche Gesetz daher im Mai mit rot-grüner Mehrheit dahingehend ab, dass Fahnder das Aufzeichnungsband bei Bedarf unverzüglich abschalten müssen. Die Union hatte gefordert, die Aufnahmen zunächst weiter laufen zu lassen und eine Verwertung den Gerichten anheim zu stellen. Der Streit um den Großen Lauschangriff zieht sich jedoch bereits seit seiner Einführung mit Hilfe einer Verfassungsänderung 1998 als Konstante durch die bundesdeutsche Rechts- und Politikgeschichte. Das Bundesjustizministerium verweist immer wieder darauf, dass die Polizei nur maßvoll von dem Instrument Gebrauch mache. Die Bilanz des tiefgehenden Grundrechtseingriff ist insgesamt aber sehr zwiespältig.

Der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig Holstein, Thilo Weichert, bedauert daher die Einigung in Berlin. Der Bundestag hätte im Einklang mit dem Urteil der Verfassungsrichter auf die "fragwürdige Ermittlungsmethode völlig verzichten können", beklagt der Datenschutzbeauftragte. CDU-Opposition wie auch die Bundesregierung wären stattdessen bestrebt gewesen, in den engen, aus Karlsruhe vorgegebenen Grenzen, "das Maximale an Überwachung herauszuholen." Der vorliegende Gesetzestext läuft nach Ansicht Weicherts nun Gefahr, "dass in der Praxis im Zweifelsfall gegen den Grundrechtsschutz entschieden wird." Für eine völlige Abschaffung des Großen Lauschangriffs hatten ferner unter anderem die Humanistische Union oder der Deutsche Anwaltsverein (DAV) plädiert.

Scharfe Kritik an dem Kompromiss übt auch der rechtspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Funke. Er sieht Teile der "zentralsten Aussagen des Urteils nicht umgesetzt." Schon der Gesetzentwurf der Bundesregierung habe auf die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Erfordernis verzichtet, wonach grundsätzlich jede Verwendung einer Aufnahme einer gerichtlichen Überprüfung bedürfe. Mit der jetzt beschlossenen Erweiterung des Katalogs der Anlasstaten würden aber sogar noch erweiterte Einsatzmöglichkeiten für die Lauschkeule geschaffen. Strafverfolger befürchten dagegen, dass die Wohnraumüberwachung angesichts der strengeren Auflagen für sie praktisch kaum mehr anwendbar ist. (Stefan Krempl) / (jk)