"Sonderurlaub" auf Arbeitgeberkosten

Einer aktuellen Studie zu Folge, planen insgesamt 1,7 Millionen Arbeitnehmer sich im Herbst vorsätzlich krank zu melden. Ein riskantes Spiel, denn Unternehmen haben durchaus Möglichkeiten, den "Sonderurlaub" auffliegen zu lassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Eine repräsentative Umfrage des Instituts tns emnid im Auftrag des Hamburger Gruppendynamik-Instituts Systhema hat ergeben, dass fünf Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland, also hochgerechnet insgesamt rund 1,7 Millionen Menschen, heute schon planen, sich in der dunklen Jahreszeit "wegen möglicher psychischer Problemen oder Konflikten am Arbeitsplatz" krankschreiben zu lassen. Bei der Befragung erfreuten sie sich allerdings noch bester Gesundheit .

Trotzdem "wussten" sie bei der Befragung schon, dass sie sich einem krankmachenden Konflikt am Arbeitsplatz werden entziehen müssen oder an einer Depression leiden werden. Einige geben sogar unumwunden zu, dass sie "blau" machen wollen, um ihren Arbeitgeber eines auszuwischen. Wie lange sie krank sein werden, wissen die Befragten dann natürlich auch schon: Die Angaben reichen von etwa drei Tage bis mehr als drei Wochen. Länger als sechs Wochen will allerdings niemand fehlen, denn danach zahlt die Krankenkasse das Gehalt - und zwar nicht das volle. Folgenlos bleibt dieses Krankfeiern aber keinesfalls - jedenfalls nicht, wenn man seine Informationspflichten verletzt oder gar erwischt wird.

So hat der Arbeitnehmer im Falle einer (angeblichen) Erkrankung einige Pflichten gegenüber seinem Arbeitgeber zu erfüllen, wie Freiherr Fenimore von Bredow, Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht und Leiter des Fachausschusses "Besondere Arten von Arbeitsverhältnissen" des Verband deutscher Arbeitsrechts Anwälte e. V. (VdAA ) erklärt: "So muss dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden, dass und wie lange man voraussichtlich krank sein wird. Wer nicht zur Arbeit erscheint oder den Arbeitsplatz verlässt, um einen Arzt aufzusuchen, muss den Arbeitgeber bzw. seinen Vorgesetzten ebenfalls sofort informieren. Zusätzlich muss ab dem vierten Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) vorgelegt werden. Was viele Arbeitnehmer nicht wissen: Soweit vertraglich nicht anders geregelt, ist der Arbeitgeber gem. § 5 Abs. 1 EFzG berechtigt, diesen Nachweis bereits vor dem 4. Krankheitstag zu verlangen, also z. B. auch schon ab dem ersten Tag. Verletzt der Arbeitnehmer eine dieser Pflichten, riskiert er eine Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar arbeitsrechtliche Konsequenzen, die bis zu einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses reichen können.

(Bild: dvbw-legal.de)

Fenimore Frhr. v. Bredow ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitbegründer der Kölner Kanzlei Domernicht, V. Bredow Wölke. Als Vorstandsmitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft DASV e.V. kümmert er sich unter anderem um das Referat für Unternehmensgründung, Sanierung und Mittelstandsförderung.
Kontakt: v.bredow@dvbw-legal.de

"Für eine außerordentliche, also fristlose Kündigung muss gerichtsverwertbar nachgewiesen sein, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorgetäuscht hat. Wurde der Arbeitnehmer beispielsweise von Zeugen dabei gesehen, dass er während seiner „Arbeitsunfähigkeit" woanders gearbeitet hat, ist die Sache offensichtlich. In der Praxis sind Fälle wie dieser allerdings selten, da solche klaren Beweise in der Regel fehlen. Im Übrigen ist auch nicht immer eindeutig, welches Verhalten des Arbeitnehmers während einer Arbeitsunfähigkeit zulässig ist und welches nicht", erklärt Rechtsanwalt Freiherr von Bredow. Als Richtschnur gilt: Der Arbeitnehmer hat all das zu unterlassen, was seiner raschen Genesung entgegen steht.

Fehlen eindeutige Beweise, kann der Arbeitgeber versuchen, diese zu beschaffen, etwa durch Beauftragung eines Detektivbüros, auch die Einschaltung des medizinischen Dienstes der Krankenkasse ist möglich. "Allerdings hat die Sache einen Haken: Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass meistens 7 bis 14 Tage vergehen, bevor der Betroffene zu einer Untersuchung geladen wird", so Freiherr von Bredow. Dann ist der angeblich kranke Mitarbeiter meistens schon längst wieder gesund. Daher rät der Anwalt Arbeitgebern, auch auf die Häufung anderer Indizien zu achten, die den Beweiswert der AU-Bescheinigung stark erschüttern können: "Hierzu zählen unter anderem häufiger Arztwechsel, wiederholte gemeinsame und gleichzeitige Erkrankung von Ehegatten oder ausländischen Arbeitnehmern im Anschluss an den Urlaub, Nichtbefolgung einer Vorladung zur Untersuchung des Vertrauensarztes oder des medizinischen Dienstes oder die Durchführung von beschwerlichen Reisen oder strapaziösen sportlichen Betätigungen während der Arbeitsunfähigkeit."

Fehlen jegliche Beweise für das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit, hegt der Arbeitgeber aber aufgrund der gesammelten Indizien diesen Verdacht, kommt auch eine sogenannte Verdachtskündigung in Betracht. "Doch Vorsicht: Daran sind strenge Voraussetzungen geknüpft, da mit diesem Mittel der Arbeitnehmer allein aufgrund eines Verdachts seinen Arbeitsplatz verlieren kann. Es müssen daher objektive, nachprüfbare Tatsachen vorliegen, aus denen sich der dringende Verdacht einer Vertragsverletzung von erheblichem Gewicht ergibt, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber schlichtweg unzumutbar macht", erklärt der Experte.

Arbeitgeber, die den Verdacht hegen, dass einer ihrer Mitarbeiter tatsächlich "blau" macht, sollten dennoch mit Bedacht vorgehen und vor der Einleitung irgendwelcher Konsequenzen lieber einen arbeitsrechtlichen Rat beim Anwalt einholen - nur so lassen sich teure Überraschungen vermeiden. Arbeitnehmern empfiehlt Rechtsanwalt Freiherr von Bredow hingegen, am besten ganz auf manipulierte Fehlzeiten zu verzichten, da diese leicht den Arbeitsplatz kosten können. (masi)