Medientage: Mangelnde Digitalisierung deutscher TV-Haushalte beklagt

Brian Sullivan, Chef von Sky Deutschland, moniert, dass deutsche Verbraucher mit digitalem Fernsehen unterversorgt seien. RTL drängt derweil auf ein politisches Signal, ob terrestrisches Fernsehen überhaupt noch gewünscht sei.

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Brian Sullivan, Chef von Sky Deutschland, moniert, dass deutsche Verbraucher mit digitalem Fernsehen "unterversorgt" seien. Vor allem im Kabelnetz seien nur 37,8 Prozent der Haushalte digital, beklagte der Pay-TV-Vertreter am Mittwoch auf dem "Infrastrukturgipfel" der Medientage München. Insgesamt nehme Deutschland in der EU den letzten Platz bei der Digitalisierungsquote im Fernsehsektor ein. Laut dem Digitalisierungsbericht 2010 der Landesmedienanstalten empfangen rund 62 Prozent der TV-Haushalte hierzulande digitales Fernsehen an mindestens einem TV-Gerät.

Nach Ansicht Sullivans hat diese Entwicklung gravierende Auswirkungen auf die Verbraucher und den TV-Konsum: Je höher der Digitalisierungsgrad sei, umso besser könne sich das Fernsehen dem Lebensrhythmus der Zuschauer anpassen, führte der Manager aus. Hierzulande hätten aber etwa erst zwei Millionen Haushalte einen "persönlichen" Videorekorder mit Festplattenspeicher. Zudem stünden Innovationen, die Sky etwa im HD-Bereich vorantreibe, nicht allen interessierten Zuschauern offen. Der Bezahlsender startete in München parallel den ersten, bereits auf der IFA im September angekündigten 3D-Eventkanal in Deutschland mit der Darbietung eines Live-Konzert der "Fantastischen Vier", das vor kurzem in Halle aufgezeichnet worden war. Für Sullivan ist "HD 3D" der "nächste logische Schritt" der Digitalisierung. In Kürze würden für diese Kanalart ausreichend Sportübertragungen sowie einzelne Spiel- und Dokumentarfilme zur Verfügung stehen.

Thomas Langheinrich, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, warnte dagegen vor einer Überbewertung der EU-Digitalisierungsstatistik, da diese "Äpfel mit Birnen" vergleiche. Frankreich etwa habe traditionell sehr viel analoges Antennenfernsehen gehabt, sodass mit der mittlerweile erfolgten Umstellung auf das digitale Pendant DVB-T eine große zahlenmäßige Veränderung erfolgt sei. Der Medienpolitiker lobte zudem die gemeinsam mit Rundfunkveranstaltern und Netzbetreibern getroffene Entscheidung, die analogen Satelliten bis zum Jahresende abzuschalten. Ferdinand Kayser, Chef von SES Astra, betonte, dass die Satellitenbetreiber "Champion bei der Digitalisierung" seien. Das von ihm geleitete Unternehmen betreibe derzeit ein virtuelles Netz mit über 16 Millionen Haushalten hierzulande, von denen rund 80 Prozent digital versorgt würden. Bis April 2012 ziele man die 100-Prozent-Marke an. HD und 3D bezeichnete Kayser als "selbsterklärende Treiber" der Digitalisierung, da deren Nutzen für die Konsumenten vor Augen liege. Künftig werde Astra aber auch verstärkt auf "Hybridangebote" mit Internetzugang setzen.

Für die Kabelbranche verteidigte Christoph Clément, Justiziar von Kabel Deutschland, den Stand des Erreichten: "80 Prozent unserer Kunden können 32 MBit/s standardmäßig erhalten." In Einzelbereichen habe die Firma 100 MBit/s über DOCSIS 3.0 eingeführt, einen Kabelmodem-Standard mit Download-Raten bis zu 400 MBit/s. Auch Kabel Deutschland wolle alle seine Haushalte bis 2012 mit Digital-TV versorgen. Mit der Einführung von Zugangsmodulen gemäß der CI-Plus-Spezifikation könnten Flatscreens bereits ohne zusätzliche Set-Top-Box angesteuert werden, was die Digitalisierung fördere. Ferner habe man einen persönlichen HD-Videorekorder mit vier Tunern gestartet, der das Nutzungsverhalten "enorm" ändere. In Kürze folge ein "Video-on-Demand"-Dienst. "Wir dürfen nicht die Kundengruppe abwimmeln, die nur das gute alte Fernsehen haben will", erklärte Clément aber auch. Kabel Deutschland werde daher sein analoges Angebot "noch einige Zeit aufrecht erhalten".

Der Leiter Medienpolitik bei RTL Deutschland, Tobias Schmid, verlangte unterdessen ein "politisches Signal, ob terrestrisches Fernsehen noch gewünscht ist". Im Rahmen der Aufteilung der "digitalen Dividende" sei ursprünglich vereinbart worden, dass die bisherigen Fernsehsignale zumindest noch sichtbar bleiben sollten. Nach wie vor sei aber nicht geklärt, welche Abstände zwischen Senderfrequenzen einzuhalten seien. Daher habe die "Interferenzproblematik" deutlich zugenommen, was etwa zur Entscheidung des Stopps der DVB-T-Ausstrahlung in Nürnberg geführt habe. Die Störungsschwierigkeiten seien nicht gelöst, assistierte Bertram Bittel, Technikchef beim SWR. Die Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, Iris Henseler-Unger, hielt dagegen, dass der Regulierer ein Verfahren zum Ausräumen der Probleme festgelegt habe. Diese seien am besten "bilateral vor Ort" auf Ebene der Techniker zu lösen. (pmz)