Halbleiterbranche sucht den europäischen Weg

Krise? Welche Krise? Die Halbleiterindustrie hat das Katastrophenjahr 2009 schon fast vergessen. Zur wichtigsten europäischen Branchenmesse Semicon in Dresden kommen die Unternehmen mit neuen Erfolgen im Gepäck. Doch der Standort Europa muss weiter kämpfen.

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Von
  • Nico Esch
  • dpa

Es ist die Zukunft einer ganzen Branche, die in der kommenden Woche in Dresden zur Debatte steht. "Trends, die den europäischen Halbleiterstandort verändern – Sind wir an einem Scheidepunkt?" Der Branchenverband Semi hat diese zentrale Frage selbst gestellt, beantworten sollen sie nun die Manager der führenden Halbleiterproduzenten und Chipentwickler, die sich zur europäischen Leitmesse Semicon an der Elbe versammeln.

"Die Krise ist zunächst mal vorbei", sagt Heinz Martin Esser, Vorstand des Branchennetzwerkes Silicon Saxony, das die Unternehmen in Sachsen unter einem Dach vereint. Das Wort "zunächst" ist wichtig für die Halbleiterindustrie, die ein stetes Auf und Ab im Rhythmus weniger Jahre gewohnt ist. "Es geht immer zwei, drei Jahre gut, dann gibt es wieder eine Delle." Die weltweite Wirtschaftskrise hatte den Trend aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt verstärkt, die Branche aus dem Tritt gebracht und selbst Riesen wie den Speicherchiphersteller Qimonda in die Pleite getrieben.

Das ist inzwischen fast vergessen. Der Weg führt steiler bergauf als in den meisten anderen Wirtschaftszweigen – nur ist von oben auch das nächste Tal schon wieder zu sehen. Ab Mitte 2011 müsse man damit rechnen, so Semi-Präsident Heinz Kundert. "Es wird wohl keinen dramatischen Downturn geben. Aber es ist jedem klar, dass es wieder runtergeht", betont er.

Auch deswegen müssten die europäischen Unternehmen die Weichen stellen, um in konjunkturellen Tiefs gegen die Konkurrenz aus Asien und den USA zu bestehen. Zuversicht gibt Globalfoundries, Chip-Produzent mit Investoren aus Abu Dhabi: Die ehemlige AMD-Produktionssparte baut das einstige AMD-Werk in Dresden gerade für mehr als 1,2 Milliarden Euro zu einer der größten und modernsten Chipfabriken der Erde aus und schwört trotz gleichzeitigen Engagements in Asien und den USA bei jeder Gelegenheit auf den Standort Europa.

Das Beispiel zeige, dass auch die Politik die große Bedeutung der Branche inzwischen begriffen habe, sagt Kundert. Die Entscheidung der EU, Halbleiter zur Schlüsseltechnologie für Europa zu erklären, trage nach einem Jahr erste Früchte. "Wenn man aussteigen würde, müsste man Chips künftig in China kaufen. Das haben die meisten begriffen." Und außerdem sei vielen jetzt klar, dass Forschung allein nicht reicht, ergänzt Esser: "Wir brauchen die Produktion. Ohne können wir nicht überleben.".

Erste Trends, die man diskutieren will, sind schon zu erkennen: Die Zahl eigenständiger Unternehmen in Europa schrumpft, die Zeit für Übernahmen war zuletzt günstig. "Die Industrie konsolidiert sich. Die kritische Masse wird immer kleiner", erklärt Kundert. Die Zahl der Aussteller bei der Semicon ist noch einmal gesunken. Das Netzwerk Silicon Saxony hat schon reagiert, sich breiter aufgestellt, Software- und Photovoltaikunternehmen mit ins Boot geholt. "Wir versuchen, uns zu diversifizieren", sagt Esser. Wenn man sich geschickt anstellt, da sind sich beide einig, sind rückläufige Märkte zu verkraften – wenn nicht wie 2009 eine echte Krise dazukommt. (jk)