Softwarepatente: Koordinator der konservativen Volkspartei in der Schusslinie

Klaus-Heiner Lehne, der rechtspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, arbeitet als Anwalt in einer auch auf Patente spezialisierten Kanzlei und lehnt Treffen mit Mittelständlern ab.

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Der rechtspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, der CDU-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne, gerät nach der überraschenden Entscheidung im Rechtsausschuss zur heftig umstrittenen Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" verstärkt in die Kritik. Der Christdemokrat hatte im Vorfeld und während der wichtigen Abstimmung unter den Fachpolitikern, die als Vorlage für die entscheidende 2. Lesung der Direktive in der Plenarwoche Anfang Juli dient, maßgeblich für das Einschwenken der Abgeordneten auf den Kurs des EU-Rates gesorgt. Softwarepatentgegner werfen dem Koordinator der Konservativen nun aber Voreingenommenheit vor.

Grund des Tadels: Lehne ist laut seiner "Erklärung der finanziellen Interessen" (PDF-Datei) auch als Rechtsanwalt und Leiter der Abteilung "Regulatory Affairs" in der Sozietät Taylor Wessing in Düsseldorf tätig. Die Kanzlei führt auf ihrer Website unter anderem den "gewerblichen Rechtsschutz" zu ihren Spezialgebieten.

Taylor Wessing ist laut dem Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) "dick im Geschäft mit der Patentlobby". Der seine Unterstützer vor allem aus dem Mittelstand rekrutierende Verband wittert daher einen Interessenskonflikt bei Lehne. "Düsseldorf ist Deutschlands und damit Europas Hochburg für Patentverletzungsprozesse", heißt es beim FFII. "Die dortigen Gerichte sind besonders bei Patentinhabern wegen ihrer relativ großen Effizienz bei der Durchsetzung von Patentrechten beliebt. Zu den Firmen, die hierdurch viel Geld verdienen gehört auch die auf Patentstreit spezialisierte Kanzlei Taylor & Wessing." Die Softwarepatentgegner weisen ferner darauf hin, dass Lehnes Kanzlei dem vormals als Deutschem Multimediaverband (dmmv) firmierenden Bundesverband digitale Wirtschaft (BVDW) einen Rabatt von zehn Prozent für ihre Dienstleistungen anbiete; dies wird auch offiziell auf den Seiten des BVDW ausgewiesen. Der BVDW wiederum agiert laut FFII "in Brüssel als eines der Aushängeschilder für die Lobbyarbeit von Microsoft".

In einer Erklärung begrüßte Lehne gerade ähnlich wie große Industrieverbände die neue softwarepatentfreundliche Linie im federführenden Ausschuss. "Wir haben jetzt eine ausgewogene Lösung, die den Interessen der Industrie und freien Softwareentwicklern entgegen kommt", erklärt der Fraktionssprecher seine Auffassung. Die "Patentierbarkeit reiner Software" werde damit nicht möglich. Der in wesentlichen Teilen vom Rechtsausschuss gebilligte Text des Ministerrates lässt im Gegensatz zu der Vorlage aus der 1. Lesung der Parlamentarier jedoch zahlreiche Hintertüren für Softwarepatente offen. Mit der Bestärkung so genannter Programmansprüche und einer lizenzpflichtigen Interoperabilitätslösung lässt das Papier der Rechtspolitiker zudem gerade die Entwickler Freier Software im Regen stehen.

Auf Unverständnis stößt Lehnes Haltung auch bei der mittelständischen Unternehmerinitiative gegen Softwarepatente. Uwe Solleder etwa, Geschäftsführer der MSD Computersysteme GmbH und nordrheinwestfälischer Vertreter der Vereinigung, hatte bei Lehne Mitte Juni wegen eines Gesprächs im Rahmen der FFII-Konferenz Ende des Monats in Brüssel angefragt. Als Antwort erhielt er aber nur den Bescheid, dass der viel beschäftigte Abgeordnete "keine weiteren Termine vor der Sommerpause mehr vergeben" könne. Sein Terminkalender sei "völlig blockiert".

Solleder empfindet es als "äußerst bedrückend, dass Herr Lehne, als unser gewählter Volksvertreter, nun schon seit Wochen keine Zeit hat, sich mit mir oder anderen Vertretern der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) aus NRW zusammenzusetzen. Weiterhin finde ich es gar eine Unverschämtheit, dass Herr Lehne im Hearing der EVP beteuert, die KMU in NRW benötigen die Richtlinie zur Patentierung von Software, ohne uns überhaupt einmal anzuhören." Gleichzeitig betont der Mittelstandler, dass der von Lehne unterstütze Ratsentwurf "keinesfalls das ist, was wir benötigen. Wir können mit diesem Entwurf, sollte er denn zur Richtlinie werden, unsere Arbeit nicht fortführen."

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)