Jens wer?

Die Piratenpartei, die nicht nur angetreten ist, um die netzpolitischen Interessen der “Generation Internet” gegen die “Internetausdrucker” zu verteidigen, sondern auch mit radikal neuen politischen Beteiligungsformen zu experimentieren, kennt heute kein Mensch mehr. Dabei wäre das nötiger denn ja.

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In einer freundschaftlich, kollegialen Auseinandersetzung um sein neues Buch ließ der Blogger und Autor Sascha Lobo kürzlich ganz nebenbei eine ätzende Einschätzung fallen, die ich ausnahmsweise für vollkommen richtig halte. Es geht um die deutsche Piratenpartei: „…das war im jahr 2009 eine partei, die ihre kurze chance, die politik für immer zu verändern, so unfassbar dämlich nicht genutzt hat, wie es nur nerds hinbekommen…“

Die Situation ist tatsächlich absurd: Eine Verbraucherschutzministerin der CSU, die zu Datenschutz soviel Affinität hat, wie es eine CSU-Ministerin halt haben kann, profiliert sich als Vorkämpferin im Kampf der Bevölkerung gegen die Datenkraken Google und Facebook. Was bedeutet: Sie produziert im Wesentlichen öffentlichkeitswirksamen Aktionismus, der die Probleme nicht löst.

Unterdessen malt der BKA-Präsident das Schreckgespenst erheblicher Ermittlungsdefizite an die Wand, wenn die Vorratsdatenspeicherung nicht schnellstens wieder eingeführt wird. Der Bundesinnenminister ist eh dafür, genau das zu tun, weil die gesammelten Vorratsdaten im Vergleich zu den Datensammlungen großer Unternehmen nur ”Fliegendreck” seien.

Ursula von der Leyen, in ihrer vorigen Amtszeit bekannt geworden durch die Kampagne zur Sperrung von Webseiten, bastelt fleißig an der Sozialstaats-Chipkarte zur flächendeckenden Erfassung nutzloser Kostgänger. Und in Stuttgart demonstriert der Staat seine Unfähigkeit, demokratische Entscheidungen in Echtzeit unter realer Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zu fällen – stattdessen wird hingespritzt und dreingeschlagen wie schon vor 50 Jahren.

Das Ergebnis? Bündnis 90/Die Grünen liegen in bundesweiten Umfragen bei 20 Prozent. Zur Erinnerung: Das ist eine Partei, die nicht nur den so genannten Atomkompromiss mitgestaltet, den ersten bewaffneten Einsatz der Bundeswehr nach dem zweiten Weltkrieg entscheidend vorangetrieben und die Hartz-Gesetze mit eingeführt hat – sondern sich auch sämtliche basisdemokratische Flausen in den vergangenen 20 Jahren gründlich selbst ausgetrieben hat.

Die Piratenpartei, die nicht nur angetreten ist, um die netzpolitischen Interessen der “Generation Internet” gegen die “Internetausdrucker” zu verteidigen, sondern auch mit radikal neuen politischen Beteiligungsformen zu experimentieren, kennt heute kein Mensch mehr. Dabei wäre das (siehe oben) nötiger denn ja.

Wie nennt man das in Nerdkreisen? Epic fail? (wst)