Filmbranche diskutiert über Massenabmahnungen von Copyright-Sündern

"Massenhafte Verletzungen fordern ein massenhaftes Vorgehen heraus", forderte der Rechtsanwalt Johannes Waldorf auf einem Branchentreffen der GVU in Berlin.

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Der Münchner Jurist Johannes Waldorf hat sich auf dem Branchenforum der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) für die gezielte Verfolgung der Nutzer zur Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen ausgesprochen. "Massenhafte Verletzungen fordern ein massenhaftes Vorgehen heraus", sagte der Rechtsanwalt am Donnerstag in Berlin. Dabei müssten die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten einschließlich der Abmahnung auch genutzt werden. "Erfolgsversprechend" habe sich vor allem der seit zwei Jahren bestehende zivilrechtliche Auskunftsanspruch erwiesen, mit dem Rechteinhaber Verletzer ermitteln und "im notwendigen Umfang" gegen sie vorgehen könnten.

Der Münchner Rechtsanwalt Johannes Waldorf.

(Bild: S. Krempl)

Die für die Filmindustrie tätige GVU hat ihr Augenmerk bislang vor allem auf die Spitzen der Verbreitungskette rechtswidriger Kopien gelegt und im Gegensatz zur Musikindustrie von Massenabmahnungen abgesehen. Langsam setzte aber auch die Filmbranche das ganze zur Verfügung stehende "Maßnahmenbündel" ein, berichtete Waldorf von einem Gesinnungswandel. Allerdings räumte Waldorf ein, dass mit dem "Rechtsinstitut der Abmahnung sehr viel Schindluder getrieben wird". Seine Kanzlei grenze sich von entsprechenden schwarzen Schafen unter Juristen aber "klar ab". Der Anwalt bezeichnete zugleich das von der Unterhaltungsindustrie immer wieder geforderte System der abgestuften Erwiderung ("Three Strikes") auf Rechtsverletzungen als "wunderbares Modell". Man müsse aber die Frage stellen, was es koste, wer es bezahle und wie effektiv es sei. Zudem bringe es "daten- und verbraucherschutzrechtliche Probleme mit sich".

"Abmahnungen haben zugenommen, die Sympathie der Verbraucher für Rechteinhaber aber nicht", konterte Cornelia Tausch, Mitglied der Geschäftsleitung im Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Damit erhöhe sich auch die Akzeptanz für die wenigen "attraktiven legalen Angebote" nicht. Bestimmte Kanzleien seien mittlerweile "berühmt und berüchtigt". Darüber hinaus gebe es aber viele Trittbrettfahrer, die darauf setzten, "dass die Bürger lieber zahlen als selbst zum Anwalt zu rennen". Einen "Three Strikes"-Ansatz lehnen die Verbraucherschützer europaweit ab. Voraussetzung dafür wäre "eine ganz andere Überwachungsstruktur im Internet". Wenn der Netzzugang als Form der Grundversorgung angesehen werde, sei das Verhängen einer Sperre zudem "schlicht undenkbar".

Der GVU-Vorstandsvorsitzende Christian Sommer dankt dem langjährigen Vorstandsmitglied Michael Panknin mit einer Flasche "Sang des Pirates".

(Bild: S. Krempl)

Olaf Wolters, Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungsindustrie (BIU), empfand" die Diskussion mit dem Zauberwort Datenschutz hierzulande befremdlich". Es müsse bei Urheberrechtsverletzungen generell einen "gewissen Verfolgungsdruck" geben. Seine Branche setze aber vor allem auf "restriktive technische Maßnahmen" bis hin zur Software-Registrierung über ein eigenes Online-Konto. Diese führten zwar zu "Komforteinbußen", man habe die Einschränkungen aber "der Community erklären können".

Einen "Abschreckungseffekt für die Masse" sah Marc Pollert von der Staatsanwaltschaft Stuttgart vor allem von Zivilverfahren ausgehen. Er zeigte sich erleichtert, dass das Aufkommen an "Massenanzeigen" mit dem Greifen des Auskunftsanspruchs im vergangenen dreiviertel Jahr "deutlich zurückgegangen" sei. Generell nähmen die Strafverfolger Verstöße gegen das Urheberrecht ernst und seien darauf auch immer besser aus- und eingerichtet. Ermittlungen bei der Polizei in diesem Bereich würden "zügig durchgeführt". Die GVU selbst werde von den Staatsanwaltschaften als "Interessensvertreter" wahrgenommen. Abgesandte der Organisation könnten daher nicht als sachverständige Zeugen bei Ermittlungen mitwirken, allenfalls bei technischen Auswertungen oder Fortbildungen helfen. Die Justizbehörden seien zur Neutralität verpflichtet und müssten be- und entlastende Momente berücksichtigen.

Kreative und Pädagogen waren sich zugleich einig, dass Gesetzesverschärfungen und eine Kriminalisierung oder zivilrechtliche Verfolgung des einzelnen Bürgers nicht hilfreich seien. Wichtig sei dagegen eine "breitbandige Aufklärung" von der Grundschule bis hin zu den Medien, betonte Thomas Siems von der Berliner Internetwerkstatt Netti 2.0. Auch die Schauspielerin Irina Wanka warnte davor, "mit der Bratpfanne auf den Nutzer zu hauen". Surfer, "die ganz viel herunterladen", gehen ihrer Ansicht nach "auch in den Laden und kaufen die Platten". Das Mitglied im Verwaltungsrat der französischen Verwertungsgesellschaft für ausübende Künste ADAMI brachte statt einer stärkeren Verfolgung die Einführung neuer Vergütungspauschalen auf Internetleitungen und -plattformen ins Spiel. Dabei dürfe es sich im Gegensatz zur Kulturflatrate aber nicht um eine Erlaubnis handeln, "für fünf Euro zusätzlich im Monat alles wahllos downzuloaden". (vbr)