Auch Briten sollen legal privat kopieren dürfen

Eine Londoner Denkfabrik fordert, dass die britische Regierung das Verwertungsrecht an geschützten Werken im Interesse der Allgemeinheit einschränken soll. 55 Prozent der Briten würden eh schon privat kopieren.

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Das Londoner Institute for Public Policy Research (ippr) fordert, dass die britische Regierung das Verwertungsrecht an geschützten Werken im Interesse der Allgemeinheit einschränken und das Kopieren für rein private Zwecke erlauben soll. Bislang gibt es in Großbritannien – anders als in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern – noch keine gesetzlich festgeschriebene Ausnahmeregelung, welche den Nutzern in beschränktem Ausmaß das Anfertigen von Privatkopien gestattet. Trotzdem halten sich bereits 55 Prozent der Briten laut einer Umfrage im Auftrag des National Consumer Council nicht an die rechtlichen Vorgaben und kopieren sich etwa Musikstücke von CDs auf ihren PC oder tragbare Musikplayer wie den iPod. 59 Prozent gehen davon aus, dass solche Vervielfältigungen für den Eigengebrauch legal sind. Laut dem ippr müssen die Gesetze daher an die Praktiken der Bevölkerung angepasst werden.

"Millionen Briten kopieren CDs und brechen das Urheberrecht", konstatiert Ian Kearns, stellvertretender Direktor der Londoner Denkfabrik. Es sei daher an der Zeit, das britische Urheberrecht an den technischen Fortschritt anzugleichen und das private Kopieren zu legalisieren. Die EU-Urheberrechtsrichtlinie stehe dem nicht entgegen. Kearns begrüßte zugleich die Praxis der Musikindustrie, in ihrem Kampf für die Interessen von Rechtehaltern vor allem gegen die illegale Distribution geschützter Werke vorzugehen und weniger das private Kopieren zu verfolgen. Es sei aber Aufgabe der Regierung zu entscheiden, welche Rechte die Verbraucher haben.

Mit dem Report "Public Innovation: Intellectual property in a digital age" versucht das ippr daher, Druck auf die britische Regierung sowie die vom Medienpraktiker Andrew Gowers geleitete Expertengruppe des britischen Schatzkanzlers Gordon Brown auszuüben, die im November die Empfehlungen aus ihrer umfassenden Überprüfung der geistigen Eigentumsrechte vorstellen will. Die am gestrigen Sonntag veröffentlichte Studie empfiehlt, die 300 Jahre alten britischen Urheberrechtsgesetze zu aktualisieren und dabei die Veränderungen in der Art und Weise zu berücksichtigen, in der die Menschen heute Musik hören, Filme anschauen und Bücher lesen wollen.

"Das Internet bietet ungeahnte Möglichkeiten zum Tausch von Ideen und Inhalten", heißt es in dem ippr-Report. Das Wissen müsse daher sowohl die Rolle einer Ware und eines privaten Eigentums als auch die eines "sozialen Klebers" in der öffentlichen Domäne übernehmen. Der Ansatz "alle Rechte vorbehalten" mache in der digitalen Welt keinen Sinn mehr, ergänzt der Autor des Berichts, Kay Withers. Um dem Regime des geistigen Eigentums noch Legitimität zu verschaffen, müsse dieses die Interessen der Öffentlichkeit respektieren.

Konkret empfiehlt der Report der Politik auch, Rufen aus der Musikindustrie nach einer Verlängerung des Urheberrechtsschutzes für Musikaufnahmen über die bestehende 50-Jahres-Frist hinaus nicht zu folgen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass der gegenwärtige Schutz nicht ausreiche. Die Regierung soll dem Bericht zufolge ferner sicherstellen, dass Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) nicht weiterhin die Bewahrung elektronischer Inhalte durch Bibliotheken einschränken. Der British Library sei daher von jedem digitalen Werk eine Kopie ohne die technischen Fesseln zu geben.

Anderen Bibliotheken müsse es gestattet werden, mehr als eine Kopie von einem digitalen Medium anzufertigen, heißt es in der Studie weiter. Die Umgehung technischer Kopierschutzverfahren sollte zudem nicht mehr als illegal betrachtet werden, wenn die Urheber- und Verwerterrechte an einem Werk ausgelaufen sind. Im Juni hatte bereits eine britische Parlamentsgruppe vor einem zu strikten Kopierschutzregime gewarnt und gerade für Bibliotheken und Wissenschaftler mehr Freiheiten im Umgang mit DRM gefordert.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)