Die Woche: Bad Company Oracle?

Entwicklerflucht bei OpenOffice, Preiserhöhungen bei MySQL, Ärger mit der Java-Community und Android auf der Anklagebank: Mutiert Oracle zur Bad Company?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 84 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Mirko Dölle

Die Übernahme von Sun Mitte 2009 hat Oracle zum Big Player im Open-Source-Umfeld gemacht: Allem voran gehörte Java zum Tafelsilber von Sun, aber auch OpenOffice, MySQL und die Desktop-Virtualisierung VirtualBox waren wertvolle Open-Source-Juwelen aus Suns Mitgift.

(Bild: sun.com)

Bezüglich MySQL hatte schon die EU-Wettbewerbskommission Bauchschmerzen, dass Oracle die freie Datenbank abwürgen und so den Wettbewerb auf dem Datenbank-Sektor zugunsten der eigenen kommerziellen Datenbankprodukte beeinflussen könnte. Obwohl die EU-Kommission die Übernahme letztlich abnickte, weil es mit PostgreSQL und MySQL-Forks genügend Mitbewerber gebe, waren die Bedenken nicht unbegründet: Kaum sechs Monate später schaltete Oracle ausgerechnet die zuvor von Sun bereitgestellten Solaris-Build-Server des PostgreSQL-Projekts ab. Zudem streicht Oracle nunmehr das MySQL-Basis-Paket, sodass sich die Preise der günstigsten MySQL-Variante mit Support mehr als verdreifachen.

Beim OpenOffice-Projekt hat Oracle aktuell mit massivem Entwicklerschwund zu kämpfen. Nach der Übernahme von Sun hatte Oracle offenbar etliche Entwickler vom OpenOffice-Projekt abgezogen, was zu empfindlichen Verzögerungen bei der Weiterentwicklung geführt hat. Da Oracle sich nicht zu seinen künftigen Plänen mit OpenOffice äußern wollte und man seitens der Entwickler auch keine Anzeichen für ein größeres Engagement Oracles sah, gründete man auf dem OpenOffice-Kongress Anfang September die Document Foundation, die sich künftig als unabhängige Organisation um die Entwicklung von OpenOffice kümmern soll.

Doch Oracle lehnte die Einladung zur Document Foundation ab und hat auch kein Interesse daran, Suns Namensrechte an OpenOffice.org an die Document Foundation zu übertragen – sodass mit LibreOffice nun ein Fork von OpenOffice existiert. Oracle will weiter an OpenOffice festhalten und bezeichnet es auch als die ausgereiftere Lösung. Fraglich ist nur, wie Oracle künftig trotz gedrosselter Manpower die Entwicklung von OpenOffice im Alleingang ohne Community weiterführen will.

Auch mit der Java-Community hat sich Oracle umgehend Ärger eingehandelt: Viele Entwickler waren "not amused" von Oracles Versuch, Scott Shapiro von der Healthcare-Firma Hologic ins Executive Committee des Standardisierungsgremiums Java Community Process (JCP) zu hieven. Aufgrund früherer gemeinsamer Presseveröffentlichungen von Oracle und Hologic befürchten die Entwickler, dass Oracle mit Shapiro einen Strohmann ins Kommittee einschleusen und so das JCP-Gremium in eine Zustimmungsbehörde für Oracle-Initiativen umzufunktionieren.

Damit nicht genug hat Oracle das Kriegsbeil gegen Google ausgegraben: Der ehemalige Datenbankspezialist wirft dem Internet-Konzern in einer Klage unter anderem vor, mit Android Software-Patente zu verletzen sowie Spezifikationen von Java-Schnittstellen abgekupfert zu haben und illegal bei Android einzusetzen. Angeblich habe Google nicht nur Teile der Dokumentation, sondern bei der DalvikVM von Android auch der Schnittstellen kopiert. Google hingegen beruft sich auf Open Source: Sun habe damals die Spezifikation der Java Virtual Machine (JVM) so verfasst, dass Entwickler ihre eigene Implementierung schaffen können – was Google mit der Dalvik VM getan habe. Dies könne Oracle nun nicht wieder rückgängig machen.

Es bleibt spannend, ob es im Fall Oracle gegen Google tatsächlich zu einer Verhandlung kommt. Immerhin scheint noch niemand mit einem schwarzen Aktenkoffer durch die Lande zu tingeln und Ablassbriefe an Smartphone-Besitzer zu verkaufen – insofern bleibt die Hoffnung, dass Oracle für die Open-Source-Community nicht zum neuen SCO mutiert. (mid) (mid)