BGH: Linksetzung kann Urheberrechte verletzen

Wenn ein Link auf fremde urheberrechtlich geschützte Inhalte eine Sicherungsmaßnahme des Rechteinhabers aushebelt, kann er eine Rechtsverletzung darstellen – so der Bundesgerichtshof in einer vor drei Tagen veröffentlichten Entscheidung.

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Von
  • Maike Brinkert

Um Urheberrechte zu verletzen, genügt es in bestimmten Fällen, im Web einen Link besonders geschickt auf fremde, urheberrechtlich geschützte Inhalte zu setzen – nämlich dann, wenn man damit Schutzmaßnahmen, die der Rechteinhaber gegen die unbefugte Nutzung seiner Inhalte getroffen hat, bewusst aushebelt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 10. November 2010 veröffentlichten Urteil entschieden (Az. I ZR 39/08). Wer Rechte an einem geschützten Werk innehat, könne selbst entscheiden, ob und in welcher Weise Dritte auf dieses Werk zugreifen dürften, so der BGH. Er müsse auch die Möglichkeit haben, den Zugang auf eine bestimmte Nutzergruppe – etwa zahlende Kunden – zu beschränken. Wenn ein fremder Hyperlink geeignet ist, entsprechende Sicherungsmaßnahmen des Rechteinhabers zur Zugriffsbeschränkung zu umgehen, so mache der Linksetzer sich einer Urheberrechtsverletzung schuldig.

Grundsätzlich, so führten die Bundesrichter aus, verstoße es nicht gegen das Urheberrecht, wenn man einen Link auf Inhalte fremder Webseiten setze, die urheberrechtlich geschützt seien. Denn derjenige, der seine Werke auf einer Homepage verfügbar halte, mache diese selbst öffentlich zugänglich. Anders sei es aber dann, wenn ein Berechtigter den Zugriff durch Dritte auf die Inhalte mit Hilfe von Schutzmaßnahmen ausdrücklich beschränkt. Wenn dann ein "Deep Link" die gewollte Beschränkung praktisch aufhebt, sei dies als Verstoß gegen das Urheberrecht zu werten. Die Umgehung der Schutzmaßnahmen ermögliche eine Art des Zugangs, die vom Berechtigten so nicht beabsichtigt war.

In dem Fall, den es zu entscheiden galt, hatte eine Online-Anbieterin kartografischen Materials, das dem Urheberrechtsschutz unterliegt, gegen ein Wohnungsunternehmen geklagt. Auf der Website der Klägerin ließen sich Stadtplanausschnitte abrufen: Nachdem ein Nutzer einen gewünschten Ort auf der Hauptseite eingegeben hatte, erschien auf einer Unterseite der passende Kartenausschnitt. Kommerzielle oder dauerhafte Nutzer sollten gegen Zahlung einer Lizenzgebühr die Kartenausschnitte unmittelbar auf der betreffenden Unterseite abrufen können. Für Verbraucher sollte das Angebot kostenlos mittels einer Session-ID verfügbar sein. Diese ID wurde beim Aufruf der Hauptseite zugeteilt.

Das beklagte Wohnungsunternehmen eröffnete seinen Kunden die Möglichkeit, angebotene Mietwohnungen in einem Kartenausschnitt aufzurufen. Dazu wurden die Nutzer über einen Hyperlink direkt auf die Unterseiten der Klägerin geleitet, ohne dass sie vorab deren Hauptseite hätten aufrufen müssen. Die Umgehung erfolgte durch Einsetzen einer programmtechnischen Routine.

Die Klägerin sah sich dadurch in ihren Urheberrechten verletzt. Die vorinstanzlichen Gerichte verneinten einen Rechtsverstoß mit der Begründung, dass eine rechtswidrige Umgehung nur dann vorläge, wenn die verwendete Schutzmaßnahme technisch wirksam sei. Die vom Kläger eingesetzte Session-ID habe nicht verhindern können, dass auch unbefugte Nutzer sofort auf die Unterseiten des Klägers zugriffen. Die Wirksamkeit einer Sicherheitsmaßnahme richte sich nach dem Kenntnisstand des Nutzers. Da im vorliegenden Fall bereits durch eine einfache Routine die Umgehung der Hauptseite möglich sei, stelle die Session-ID keinen hinreichenden Schutz dar. Damit sei der gesetzte Hyperlink auch nicht als unzulässige Umgehung einer Schutzmaßnahme zu werten.

Anders der BGH, nach dessen Ansicht es nicht darauf ankommt, ob die Schutzmaßnahme technisch wirksam ist. Der urheberrechtliche Schutz eines Werkes sei nicht von der Wirksamkeit einer Schutzmaßnahme abhängig. Entscheidend sei allein, ob für Dritte erkennbar sei, dass der berechtigte Website-Betreiber willentlich Schutzmaßnahmen zur Beschränkung des Zugriffs getroffen habe. Im vorliegenden Fall sei der Wille des Klägers deutlich erkennbar gewesen: Allein zahlenden Kunden sollte es erlaubt sein, unmittelbar auf die Kartenausschnitte zuzugreifen. Der durch die Session-ID abgeprüfte Umweg über die Hauptseite diente dazu, einen Kaufanreiz zu schaffen.

Das Urteil zeigt die Gefahren auf, die das Setzen eines Links mit sich bringt. In einer zuvor ergangenen Entscheidung hatte der BGH noch offengelassen, ob der Einsatz von Hyperlinks bei bestehenden Schutzmaßnahmen einen Urheberrechtsverstoß begründen könne. Diese Frage wurde nun eindeutig bejaht. Da bereits der nach außen erkennbare Wille des Rechteinhabers genügt, um eine Schutzmaßnahme anzunehmen, sollten Linksetzer die Ziele, zu denen sie verlinken wollen, stets zunächst daraufhin abklopfen, ob sie mit irgendwelchen Zugangsbeschränkungen kollidieren könnten. (psz)