Beckstein: Digitalfunk bis zur WM 2006 nicht einsatzfähig

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein gibt Bundesinnenminister Schily die Schuld daran, dass die Polizei keine Zeit habe, bis zur Fußball-Weltmeisterschaft den Umgang mit einem neuen Digitalfunknetz zu trainieren.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

In einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt schließt der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) für den Fall eines Regierungswechsels im Bund ausdrücklich aus, bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 die neue Digitalfunktechnik einzusetzen. Im April hatte das von Otto Schily (SPD) geführte Bundesinnenministerien einen Teilnahmewettbewerb für die Beschaffung der Systemtechnik für den Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) gestartet. Nach dem Willen von Schily sollte den BOS ein Rumpfnetz bis zur Fußball-WM an den Veranstaltungsorten zur Verfügung stehen.

Diesen Plan hatte auch die -- im Mai abgewählte -- rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unterstützt. Beckstein hatte schon damals vor einem überstürztem Start des BOS-Digitalfunks gewarnt. Bedingt durch die Dominanz unionsregierter Länder im Bundesrat bleibt der Fahrplan zum digitalen Behördenfunk weiter offen, angesichts der angestrebten Neuwahlen zum Bundestag ist außerdem zweifelhaft, ob die Pläne der amtierenden Bundesregierung, eine Bundesanstalt für Digitalfunk einzurichten, noch im Sinne Schilys umgesetzt werden.

Im Interview mit der Welt gibt Beckstein, der als Nachfolger Schilys als Bundesinnenminister nach einem eventuellen Regierungswechsel gehandelt wird, Schily die Schuld daran, dass der als abhörsicher geltende Digitalfunk in Deutschland deutlich später aufgebaut werden könne als in den Nachbarstaaten. Schily habe die Verzögerung zu verantworten, weil er sich mit den Bundesländern nicht über die Finanzierung habe einigen können. Nun wolle Schily "in einer Art Torschlusspanik" zwar den Digitalfunk in den Stadienbereichen einsetzen. Die Quartiere der WM-Mannschaften solle die Polizei aber weiterhin mit dem alten Analogfunk schützen. Dieser Mix würde nach Becksteins Auffassung zu Sicherheitsproblemen führen: "Der Digitalfunk kann erst verwendet werden, wenn das System ordentlich erprobt wurde", resümiert Beckstein. Der Artikel Digitalfunk-Netze unter Spitzenlast auf heise mobil fasst Erfahrungen europäischer BOS mit dem Einsatz von Digitalfunknetzen im TETRA-Standard bei Großereignissen zusammen.

Mit Blick auf das Verhältnis zwischen den Länderpolizeien und den Schily unterstehenden Insitutionen und Bundesgrenzschutz (BGS) und Bundeskriminalamt wirft Beckstein seinem Berliner Amtskollegen "Rambo-Mentalität" vor. Schily stelle den BGS, der Anfang Juli in "Bundespolizei" umbenannt worden ist, als die eigentlich richtige Polizei und die Landeskriminalämter als "Dorfpolizisten" dar. Damit habe er einer vertrauensvollen Zusammenarbeit schwer geschadet. Schilys "Zentralisierungswahn" sei falsch, warnt Beckstein. Bei umstrittenen Sicherheitsthemen wie etwa dem Großen Lauschangriff liegen Schily und sein potenzieller Nachfolger nicht weit auseinander. Doch beklagen nach Informationen von heise online zahlreiche Teilnehmer der regelmäßig stattfindenden Konferenzen der Innenminister des Bundes und der Länder (IMK), dass Schily mit seinem Umgangston das Klima in der IMK -- über Parteigrenzen hinweg -- nachhaltig vergiftet habe. In politischen Kreisen gilt der bald 73-Jährige als weitgehend "beratungsresistent"

Zur Ausstattung der Sicherheitsbehörden mit Digitalfunktechnik siehe auch: (ssu)