Was müssen wir über Technik wissen?

Die Bundeszentrale für politische Bildung will sich in ihren Angeboten künftig auch der Technikentwicklung widmen. Eine sehr gute Idee – aber auch eine ziemlich schwierige Aufgabe.

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Von
  • Niels Boeing

In den Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 und den letzten Castor-Transport ist immer wieder die Frage aufgetaucht, wie kompetent die Bürger eigentlich in solchen technischen Angelegenheiten seien. Schnell wird dann darauf hingewiesen, dass es vielen Bürgern an Fachwissen mangele. Das mag in manchen Fällen sogar stimmen. Aber anstatt nur den Eigensinn der Bürger zu beklagen, sollten wir uns fragen, wie es eigentlich dazu kommt, dass technisches Wissen kaum zur Allgemeinbildung gehört – und was dagegen zu tun wäre.

Symptomatisch für das Problem fand ich Dietrich Schwanitz' Buch von 1999: "Bildung. Alles, was man wissen muss". Während Kultur oder Geschichte üppig vertreten waren, bekamen Naturwissenschaften und Technik relativ wenige Seiten ab. In einer durchtechnisierten Gesellschaft wie unserer ist diese Gewichtung mehr als befremdlich.

Umso erfreulicher ist es, dass auch die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) dieser Lücke nun zuleibe rücken will. Vergangene Woche lud sie Vertreter von Bildungseinrichtungen und aus dem Feld der Technikfolgenabschätzung zu einer Tagung, um erste Ansätze herauszuarbeiten (ich selbst war als Beobachter dabei).

"Die politische Bildung hat das Thema Technikentwicklung bisher vernachlässigt", räumte bpb-Präsident Thomas Krüger ein. Sie müsse künftig den Bürgern ermöglichen, auch auf diesem Gebiet "zu eigenen Urteilen zu kommen".

Im Verlaufe der Diskussion wurde aber deutlich, dass zum einen die gängigen Formate wie Bürgerdialoge oder Konsensuskonferenzen nur bedingt taugen. Nicht nur kommen sie eigentlich viel zu spät, wie man am Beispiel Stuttgart 21 sehen kann. Alfons Bora von der Universität Bielefeld wies auch darauf hin, dass über Nutzen und Wirkung von Bürgerbeteiligung in der Technikbewertung bislang kaum brauchbare wissenschaftliche Erkenntnisse existieren.

Zum anderen zeigte sich, dass die institutionalisierte Technikbewertung vielleicht Knowhow in eine politische Bildung der Technik einbringen kann. Aber insgesamt ist sie doch eher als beratende Instanz für Politik und Öffentlichkeit angelegt. Vor allem fehlt ihr meines Erachtens die Perspektive des systematischen "Empowerments" von Bürgern, damit diese die von Krüger angemahnten Urteile über die technische Entwicklung fällen können. Eine politische Bildung über Technik muss auch die Technikfolgenabschätzung und öffentliche Dialoge über Technik selbst thematisieren (wenn auch nicht vorrangig).

Ich kann mir nun lebhaft vorstellen, dass hier so manche Ingenieure mit den Augen rollen: Was, bitte schön, hat Technik in der politischen Bildung zu suchen? Das hat uns gerade noch gefehlt. Technik soll und kann man nur auf der Ebene der Technik diskutieren – diese Haltung taucht auch in den Foren unseres Blogs immer wieder mal auf.

Dabei sollte sie eigentlich der Vergangenheit angehören. Günter Ropohl hat in seiner "Systemtheorie der Technik" (1979) schlüssig dargelegt, dass Technik nicht nur die Artefakte (er nennt sie "Sachsysteme"), sondern auch die Zusammenhänge ausmacht, in denen sie erzeugt und verwendet werden. Genau diese Zusammenhänge berühren häufig politische Fragen und Ziele. Frank Vogelsang, Direktor der Evangelischen Akademie im Rheinland, hat auf der Tagung Ropohls Theorie denn auch zurecht als Ansatzpunkt für die politische Bildung vorgeschlagen.

Ropohl hat in seiner Arbeit damals zudem fünf Arten technischen Wissens vorgeschlagen, die als Raster für das, was vermittelt werden sollte, dienen können:

  1. technisches Können, das sich auf klassisches Handwerk bezieht;
  2. funktionales Regelwissen, mit dem man einen Gegenstand nutzen kann, ohne zu wissen, was darin passiert – es genügt, um etwa einen iPod oder eine Stereoanlage durch Knöpfe-Drehen oder -Drücken zu bedienen;
  3. strukturales Regelwissen, mit dem wir zumindest das Zusammenspiel einiger elementarer Bauteile verstehen – etwa, dass ein Rechner ein Mainboard, ein BIOS, einen Arbeits- und einen Festplattenspeicher etc. hat;
  4. technologisches Gesetzeswissen, das uns die zugrundeliegenden Effekte verstehen lässt - etwa, wie ein Halbleiter-Transistor funktioniert; und
  5. soziotechnologisches Systemwissen – hier geht es darum, wie eine Technik erzeugt und genutzt wird, wie sie in das gesellschaftliche Leben eingebettet ist.

Mich würde interessieren, welche Erwartungen Sie an eine politische Bildung der Technik haben: Was soll sie leisten? Was genau müsste sie vermitteln? Und könnte sie eines Tages Auseinandersetzungen wie die um Stuttgart 21 überflüssig machen? (nbo)