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Was war. Was wird.

Kann ein Schwarm intelligent sein? Bei mancher Meute, die sich online bildet, stellen sich Zweifel am Konzept der Schwarmintelligenz ein. Aber auch andere, bislang als Sphäre intelligenten Daseins betrachtete Bereiche, stehen in Frage, meint Hal Faber.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Moni macht Urlaub, ihr Rechtsanwalt verkündet Erledigung und der Bloggermob wendet sich neuen Dingen zu, an denen sich die Schwarmintelligenz aufgeilen kann. Transparency International ist um eine Erfahrung reicher und wahrscheinlich um einen Ethikbeauftragten ärmer, weil der alte Prof. Dr. das Kunststück fertig brachte, für seinen Schreibmüll das Urheberrecht zu reklamieren. Außerdem wird sich die gekonnt intransparent auftretende Organisation bei der Suche nach dem nächsten Praktikanten sicher erkundigen, ob er oder sie Kontakte zu dieser üblen Pranksterszene hat. Für satte 300 Euronen im Monat kann man schon etwas mehr erwarten als das Wissen, wie man einen Papierkorb fachgerecht entleert.

*** Richtig nackig steht nur der hochgepriesene Online-Journalismus da, den einige Blender als Journalismus der Zukunft verkaufen wollen. Unkritische Interviews und Fragen innerhalb des Netzwerks erfahrener ARD-Korrespondenten, bei denen die Flatterie neue Triumphe feiert, sprechen nicht gerade für diese tolle neue Form des Journalismus. Wer auf Anwalts Spuren oder den Rudeleien der Blogger Nachrichten produziert, hat schwerlich Zeit, den Blick dahin zu lenken, wo es wirklich weh tut, wenn man Abschied nehmen muss. Legends never die.

*** Am Ende ist Online-Journalismus halt nur eine weitere Paparazzi-Technologie, ein Cell Journalismus, der gedankenlos klickt und klappert, weil er nie gelernt hat, kritische Fragen zu stellen. Das gilt natürlich auch für die IT-Branche, die die Web-2.0-Blumenkinder hätschelt und alles, was angeblich Ajax macht, verzückt beschreibt. Nehmen wir nur die Nachrichten über Ajax Sketch und andere vermeintliche Ajax-Programme, die Microsofts Erzfeind und begnadete PR-Flak Michael Robertson bejubuliert. So wird rund um die in Bochum programmierte Software, die bei uns schlicht als BüroPaket angeboten wird, der Hype angefacht – ein Ende ist noch nicht absehbar. Fachkundige Blogger können vor dem plappernden Blödsinn schützen, aber wer ist fachkundig und wer plappert nach? Die in Amerika verkündete Entscheidung über die journalistische Qualität der politischen Blogs ist ein wichtiger Schritt für die Meinungsfreiheit dieser Publikationsform, hiesigen Rechtsanwälten wie Richtern zur Lektüre empfohlen.

*** Aber es gibt auch noch ein anderes Amerika. Das Amerika, in dem Rupert Murdochs News Corporation, die MySpace übernommen hatte, mit einer Software experimentiert, die nackte Haut erkennt. Ein Amerika, in dem Steve Ballmer frank und frei zugeben kann, dass er seine Kinder einer Gehirnwäsche unterzogen hat, damit sie weder Google benutzen noch Musik auf einem iPod hören: Zu gefährlich sind die Memes, die da übertragen werden können. Passend ist es da schon, wenn sich Fördermittellutscher wie Berlinpolis ausdrücklich als Thinktank bezeichnen und sich für eine Kontrolle des Internet stark machen. Auch bei uns hat die Gehirnwäsche Tradition.

*** In dieser Woche sind in verschiedenen Bundesländern die Berichte der Datenschutzbeauftragten erschienen. Ob in Berlin, in Bremen oder in Brandenburg, es ist überall das gleiche Thema. Die Videoüberwachung wird penetrant ausgedehnt, die Videodaten werden viel zu lange gespeichert, bei Hartz IV ist der Datenschutz so gut wie aufgelöst: Die GEZ entpuppt sich mit ihrem Pochen auf Originalbescheiden bei ALG-II-Empfängern als besonders datengierige Organisation, die über eine Drogenabhängigkeit oder Schwangerschaft der gebührenbefreiten Klientel informiert sein will. Wo bleibt da das Positive? Natürlich bei der GEZ, die rechtzeitig zum 1. April im Geizistgeiland mit einem besonders günstigen Internet-Tarif für Rundfunkgebührenzahler wirbt.

*** Nicht positiv genug? Wie wäre es dann passend zum hiererorts fast vergeigten 1. April mit Apple, dieser Firma, die von zwei Scherzkeksen gegründet wurde? Ach, auch das ist kein Grund zum feiern. Wie wäre es aber dann mit den Nachrichten von der Rütli-Hauptschule in Berlin, ihres Zeichens ein anregendes Exempel für den demographischen Wandel in Deutschland, den Bertelsmann aufmerksam begleitet? Das Positive kommt in diesem Fall vom SIBB, der tatsächlich eine Rütli-Pressemeldung lancierte, die Vorfälle mit Gewinn zu betrachten: "Der sprachliche und kulturelle Hintergrund ausländischer Schüler kann deutschen Unternehmen helfen, internationale Märkte zu erschließen und zu gewinnen. Ausländische Mitarbeiter sind für Deutschland eine Möglichkeit, das vermeintliche Migrationsproblem in eine wirtschaftliche Stärke zu verwandeln. /.../ Der Verband fordert die Berliner Schulen auf, mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. Berufsvorbereitende Betriebspraktika – auch in der Ferienzeit – können Schülern neue Perspektiven für ihren späteren Berufsweg aufzeigen. Damit wird die Spirale der Perspektivlosigkeit durchbrochen." So einfach ist das, dank der IT-Branche in diesem unseren Lande. Da helfen auch unser aller Intellektuelle nicht weiter. Kein Wunder, dass sie manchem, der von außen schaut, zu denken geben.

Was wird.

Unaufhaltsam kommt sie näher, die Fußball-WM in diesem unseren Lande. Ein Ereignis, so groß, dass es schon verständlich ist, wenn seinetwegen kurzerhand das Recht außer Recht gesetzt wird. Schließlich ist das Passgesetz kein Evangelium, während der Fußball rund und Gottes Wille ist. Heute findet in Bonn der erste offizielle Welcome Day für unsere FIFA-Gäste statt, an dem 10.000 Zugucker beim Bonner Marathon die "größte Nationalmannschaft aller Zeiten bilden werden". Wie heißt es so schön in der Pressemeldung zum Welcome Day: "Ohne Software, Internet, Digitalkameras und Hochgeschwindigkeitsnetze für den Datenaustausch wäre ein Sportevent, der weltweit Milliarden von Menschen in den Bann zieht, nicht mehr denkbar." Bisher dachte ich, dass zweiundzwanzig Spieler, zwei Tore und ein Ball ausreichen. Das ist eine vergreiste Einstellung.

Wenn die Freunde zu Gast sind, werden wir nicht bei ihnen sein. Das ist keine Drohung oder Verweigerungshaltung, sondern schlicht die Anwendung des Marketingeifers der FIFA. Sie lässt im Stadion, in den FIFA-Hotels und in der Bannmeile ringsum nur Printprodukte aus dem Hause Bertelsmann zu. Und diesem Haus gehört der Heise-Verlag nun einmal nicht an. Derzeit wird noch geklärt, ob der Aufruf von bertelsmannfreien Online-Seiten in den FIFA-Zonen erlaubt ist. Selbst die Gazette von Format, das Hauptorgan des deutschen Fußball-Sachverstandes, ist hier nicht gern gesehen. Mit einem schicken Versprecher hat BMI-Mitarbeiter August Hanning bekannt gegeben, dass Deutschland sicherheitstechnisch bestens auf die asymmetrische Bedrohung durch Hooligans und Terroristen antworten wird. Nur die Torwartfrage ist noch offen.

Während alle Stätten abseits der Stadien mit verschärften Auflagen zur Videoüberwachung aus mindestens drei Perspektiven die größtmögliche Sicherheit aller Unbeteiligten garantieren soll, sind die Erkenntnisse unserer Nachbarn kein Thema. Das Durchsickern von Ergebnissen aus dem Untersuchungsbericht der englischen parlamentarischen Kontrollkomission zu den Bombenattentaten vom 7. Juni zeigt: Die Sicherheitskräften waren gewarnt, aber unschuldig, die Videoüberwachung bringt keine Sicherheit, aber eine schnelle Aufklärung hinterher. Die Lösung ist einfach: Die Kameras müssen zu unser aller Sicherheit intelligenter werden. Der Rest ist Sache der Seelsorger. (Hal Faber) / (jk)