US-Regulierer rudert bei Netzneutralität zurück

FCC-Chef Julius Genachowski hat seinen Plan aufgegeben, Internetprovider als klassische Telekommunikationsanbieter einzustufen, und will nutzungsabhängige Preise für den Datenaustausch im Netz zulassen.

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Der US-Chefregulierer Julius Genachowski,setzt bei der geplanten Festschreibung der Netzneutralität auf einen Kompromiss. Wie der Leiter der US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) in einer Rede (PDF-Datei) am Mittwoch in Washington ausführte, hat er sein auf Widerstand gestoßenes Vorhaben aufgegeben, Internetprovider als klassische Telekommunikationsanbieter einzustufen. Damit wollte der Demokrat Auflagen zur Beibehaltung des Prinzips eines offenen Netzes auf das Internet ausdehnen.

Zugleich will Genachowski erstmals nutzungsabhängige Preise für den Datenaustausch zulassen. Provider könnten damit etwa Anbieter zusätzlich zur Kasse bitten, die vor allem bandbreitenhungrige Online-Videos übertragen. Ganz in diesem Sinne hat der US-Kabelanbieter Comcast gerade eine entsprechende Zusatzgebühr vom Zulieferer Level 3 eingefordert, was dieser als Verstoß gegen die Netzneutralität wertete.

Generell nähert sich der Regulierungschef, über dessen überarbeiteten Plan das fünfköpfige Führungsgremium der Kommission kurz vor Weihnachten abstimmen soll, dem umstrittenen Vorstoß von Google und Verizon an, die den Weg für unregulierte Zusatzdienste über Hochgeschwindigkeitsnetze öffnen und den Betreibern des mobilen Netzes weitgehend freie Hand lassen wollen. So soll es für Mobilfunk und Festnetz eine allgemeine Verpflichtung geben, wonach die Übermittlung "rechtmäßiger" Inhalte, Anwendungen und Dienste nicht behindert werden dürfen, führte Genachowski aus. Es müssten aber "Unterschiede" zwischen dem gewöhnlichen und dem mobilen Breitbandnetz anerkannt werden. Konkrete Pläne für den Funkbereich nannte der Behördenleiter aber nicht.

Grundsätzlich hält der FCC-Vorsitzende Transparenz für das wichtigste Mittel zur Aufrechterhaltung der Netzneutralität und setzt dabei auf den Markt als Ausgleichsfunktion. Sollten Zugangsanbieter ein "vernünftiges Netzwerkmanagement" etwa zur Gewährleistung einer bestimmten Servicequalität einsetzen, müssten sie ihre Kunden genau darüber in Kenntnis setzen. Eine "unangemessene Unterscheidung" zwischen Datenpaketen beim Transfer rechtmäßigen Netzverkehrs soll zudem nicht gestattet sein. Generell glaubt Genachowski mit diesem Ansatz, Innovationspotenziale gerade für junge Firmen und Erfinder offen halten und zugleich großen Konzernen Möglichkeiten für den Netzausbau und das Aufsetzen kostenpflichtiger Zusatzdienste aufzeigen zu können.

Befürworter eines starken rechtlichen Fundaments für die Netzneutralität beklagen, die Neuausrichtung der FCC unterwandere das Versprechen von US-Präsident Barack Obama, das freie und offene Internet zu erhalten. Bei dem Vorschlag handle es sich um ein Geschenk für Branchengrößen wie AT&T und Comcast, die damit das Netz endgültig ein eine Art Kabelfernsehen verwandeln könnten, moniert etwa der Präsident der zivilrechtlichen Organisation Free Press, Josh Silver. Dem Aufbau eines "privaten Internets" durch eine Handvoll großer Mediengiganten würden keine Hindernisse mehr in den Weg gelegt. Die einzige Hoffnung sei, dass die anderen beiden Kommissionsmitglieder der Demokraten die Initiative noch nachbesserten. (vbr)