ePerso-Alltag: Vom Fördern und Fordern [Update]

Detlef Borchers freut sich auf den 27C3 und macht in Mathematik: Einige Zahlen über die Kosten, die durch den Vertrieb von Kartenlesern durch Computerzeitschriften, für die Entwicklung der AusweisApp und für die "Förderung der Technik" auch im Ausland entstehen.

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Von
  • Detlef Borchers

Ach, ist das schön. Zwar ist weder mein Ausweis noch Post von der Bundesdruckerei eingetroffen, doch sind die Aussichten rosig bis rot. Rot wie das Logo der CeBIT 2011, die Ausweisbesitzer mit freiem Eintritt lockt. Dazu muss die elektronische Identifikation freigeschaltet sein, denn sonst kann der Messe-Veranstalter keine Daten abzapfen. Die Aktion soll die Akzeptanz des Ausweises fördern und zeigen "welchen praktischen Nutzen es für die Bürgerinnen und Bürger hat, sich mit dem neuen Personalausweis in der elektronischen Welt ausweisen zu können".

Sehen wir mal davon ab, dass der Ausweis an einer sehr realen Eintrittskasse gezückt werden muss, bleibt der Wert der Übung fragwürdig. Wie bei keiner anderen Messe dieser Größenordnung werden zur CeBIT Eintrittskarten verschenkt. Die Computerzeitschriften sind voll von Gutscheinen, die gegen Offenlegung der Adressdaten in Eintrittskarten umgetauscht werden, dass ein Heise-Leser das Ausweisangebot als so verlockend wie Gratisfrischluft bewertete.

Es kommt noch schöner. Für die Nutzung der AusweisApp, die Anfang Januar zum Dowload zur Verfügung stehen soll, verteilen zwei Computerzeitschriften "Freikarten" in Form von Kartenlesern und Gutscheinen. Für diesen Service erhalten sie nach Auskunft des Bundesinnenministeriums 792.540,00 Euro. Eine Zeitschrift liefert mit ihrer DVD-Ausgabe 400.000 Basiskartenleser von Reiner SCT an den Kiosk. Dafür bekommt Reiner SCT die 35 Euro, die der Kartenleser kostet, was sich auf 14 Millionen Euro addiert (das Bundesinnenministerium spricht allerdings von 14 Euro für die Basis-Leser). Weitere 1.864.800,00 Euro erhält die Firma für Service und Support. Ihre Kartenleser kommen mit einer begrenzten Garantie, die mit einer der Zeitschrift beigelegten "LoginCard" verlängert werden kann. Die CD-Ausgabe der Zeitschrift kommt mit einem Gutschein über 25 Euro, der beim Kauf eines Standard- oder Komfortkartenlesers angerechnet wird.

Auch schön: Die Akzeptanz des Ausweises wird auch international gefördert. 466.200,00 Euro erhält T-Systems dafür, dass es den Ausweis und die Verbreitung der zugrunde liegenden Technik (PDF-Datei) in einem Projekt der Europäischen Kommission einbringt.

Von den 24 Millionen Euro, die im Rahmen des Konjunkturpaket II als Zuwendungsmaßnahme den Personalausweis voranbringen sollen, sind derzeit nach Auskunft des Ministeriums 5.767.127,10 Euro überwiesen worden, weitere 17.301.572,90 Euro sind fest verplant. Insgesamt werden dem Bürger so 1.237.000 Basiskartenleser und Zuschüsse für 230.000 Standard- und Komfortleser offeriert. Bleibt die Frage, ob er mitspielt, sich erst den Leser, dann im Januar die AusweisApp besorgt, die – das ist die letzte Zahl für heute – für 800.000 Euro entwickelt wurde.

Wo bleibt das Negative? 27C3 ist keine Zahl, sondern das Kürzel für den 27. Congress des Chaos Computer Clubs. Dieser Verein der deutschen Hacker ist seit je ein großer Förderer des Datenaustausches und ein besonderer Freund des neuen Personalausweises. Vor einem Jahr gab der Club auf seinem Congress in der Abschlussveranstaltung "Security Nightmares" das Versprechen ab, den Ausweis "geliefert, gehackt und gefrostet" zu präsentieren. Dieses Versprechen steht jetzt als Forderung im verschneiten Raum, die Erwartungen sind groß.

Nach Hacker-Art gibt es zwei Möglichkeiten. Ein zerschnippelter, schockgefrorener Ausweis würde dem legendären Bankeinbruch vor versammelter aufgeregter Presse entsprechen. Vor vielen Jahren stellten sich so viele Hacker auf eine präparierte Turnhallen-Bank, bis diese brach. Ein Ausweis, bei dem die Sicherheitsfunktionen über trickreiche Programme ausgehebelt werden, wäre die zweite Möglichkeit. Dass die neue Version der AusweisApp erst Anfang Januar erscheint, wird von manchen Zeitgenossen auf das Versprechen der Alptraumspezialisten zurückgeführt.

Bekanntlich hat Bundesinnenminister de Maizière seinen neuen Personalausweis bekommen. Zur Übergabe lobte er die Behörden und den Ausweis. "Er ist auch nicht so leicht – ich hätte fast gesagt – in der Waschmaschine umzubringen." Diese Sicht eröffnet ungeahnte Perspektiven: zwei Ausweise, ein Waschgang und danach der Test, ob der alte laminierte Lappen nicht doch robuster ist als der Chip in elektrostatisch aufgeladener Trommel, ganz ohne Schockfrostung. Die Spannung steigt.

[Update]:
Die Zeitschrift Computerbild, die an der Verteilung von Lesegeräten beteiligt war, legt Wert auf die Feststellung, dass für diese Aktion im Unterschied zu den Angaben kein Geld aus dem Bundesinnenministerium direkt an die Redaktion oder den Verlag geflossen ist. (jk)