Wikileaks: Hetzner will nicht spiegeln, Großbritannien verhaften – und Banker zittern [2. Update]

Es wird wohl noch Monate dauern, bis die Whistleblower-Plattform Wikileaks bzw. ihr Mitgründer Julian Assange nicht mehr die Schlagzeilen des Tages beherrschen. Doch noch überschlagen sich die Ereignisse.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1177 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Peter-Michael Ziegler

Es wird wohl noch Monate dauern, bis die Whistleblower-Plattform Wikileaks beziehungsweise ihr Mitgründer Julian Assange nicht mehr die Schlagzeilen des Tages beherrschen. Doch noch überschlagen sich die Ereignisse: Den Auftakt am Montag machte die Schweizer Post, die erklärte, man habe das PostFinance-Konto, über welches bislang Spenden für die Enthüllungsplattform im Internet liefen, geschlossen. Als Grund gab das Unternehmen an, Assange habe bei der Kontoeröffnung falsche Angaben zu seinem Wohnort gemacht.

Assange habe Genf als Wohnort angegeben, was sich bei einer Überprüfung der Daten aber als unwahr herausgestellt habe, hieß es weiter. Assange könne keinen Schweizer Wohnsitz nachweisen. Dies sei jedoch Voraussetzung für eine Kundenbeziehung. Man werde nun versuchen, mit Assange Kontakt aufzunehmen, um zu erfahren, auf welches Konto das Geld überwiesen werden könne, sagte ein PostFinance-Sprecher. Könne das Geld nicht transferiert werden, werde es auf ein Sperrkonto überwiesen, "bis jemand kommt, der darauf einen rechtlichen Anspruch hat".

Anschließend meldeten britische Medien, dass in Großbritannien alle Dokumente eingegangen sind, die für eine Festnahme Assanges nötig seien. Der gebürtige Australier wird wegen Vergewaltigungsvorwürfen von der schwedischen Justiz gesucht. Scotland Yard habe alle Papiere zusammen und werde Assange womöglich in den kommenden 24 Stunden festnehmen, falls sein genauer Aufenthaltsort bekannt sein sollte, zitierte der britische Sender BBC nicht näher genannte Quellen. In diesem Fall würde Assange einem britischen Gericht vorgeführt, das über seine Auslieferung nach Schweden entscheiden könnte.

In Deutschland wiederum teilte der Webhoster Hetzner auf Anfrage des Bloggers und Kommunikationsberaters Alper Iseri mit, dass "das Hosten von Content von Wikileaks nicht möglich" sei und verweist in diesem Zusammenhang auf die eigenen AGB. Darin heißt es unter Paragraph 6.2 unter anderem, "der Kunde verpflichtet sich, keine Inhalte zu veröffentlichen, welche Dritte in ihren Rechten verletzen oder sonst gegen geltendes Recht verstoßen." Iseri hatte eigenen Angaben zufolge "mit dem Gedanken gespielt", selbst einen Wikileaks-Mirror bei Hetzner einzurichten. Stellungnahmen anderer Hoster hat beispielsweise Nerdfabrik eingeholt.

Unterdessen rätseln New Yorker Banker, wen Assange gemeint haben könnte, als er Ende November ankündigte, zehntausende interne Dokumente aus einer großen US-Bank veröffentlichen zu wollen, die "ein oder zwei Banken" empfindlich treffen würden. Laut Assange sollen die brisanten Dokumente, die ein Beleg dafür seien, wie das obere Bankenmanagement gegen ethische Regeln verstoße, Anfang kommenden Jahres ins Internet gestellt werden. Kolportiert wird, dass es sich um die Bank of America handeln könnte, die schon ein Swat Team gegründet haben soll, "um Wikileaks zu bekämpfen".


[Update]:
Julian Assange ist offensichtlich bereit, sich mit der britischen Polizei zu treffen. Wie sein Londoner Anwalt Mark Stephens der BBC am Montagabend sagte, seien "Vorbereitungen für ein einvernehmliches Treffen mit der Polizei im Gange, um die Vornahme der Befragung bei Bedarf zu ermöglichen". Wann das Treffen stattfinden soll, ist nicht bekannt. "In absehbarer Zeit", sagte Stephens nur. Die Polizei habe ihm am Montagabend telefonisch mitgeteilt, dass ein schwedisches Auslieferungsbegehren für seinen Mandanten eingegangen sei. Der Anwalt betonte, dass es den schwedischen Ermittlern nur um eine Befragung Assanges gehe und keine Anklage gegen ihn erhoben worden sei.

Mittlerweile hat auch Mastercard Zahlungen an Wikileaks gesperrt. Die Bestimmungen von Mastercard verböten es Kunden, "an illegalen Handlungen direkt oder indirekt teilzunehmen oder sie zu unterstützen", erklärte ein Sprecher des Kreditkartenunternehmens gegenüber dem Newsdienst CNet. Derweil gerät nach einem Bericht des Handelsblatts auch die Wau-Holland-Stiftung, die bislang über eingehende Spenden einen Großteil der Wikileaks-Finanzierung sicherstellt, ins Visier der Behörden – allerdings vor allem wegen eines nicht vorgelegten, aber notwendigen Rechenschaftsberichts. Das Kasseler Regierungspräsidium als zuständige Aufsichtsbehörde habe die deshalb abgemahnt, berichtet die Zeitung. Die Behörde wolle mithilfe des Geschäftsberichts aber auch prüfen, ob angesichts der Verflechtungen zwischen der Wau-Holland-Stiftung und Wikileaks der Stiftungszweck überhaupt noch erfüllt sei.

Der Online-Auftritt der Schweizer PostFinance scheint derweil wegen dDoS-Attacken nicht oder nur schwer erreichbar zu sein.

[2. Update]:
Die für die Wau-Holland-Stiftung zuständige Aufsichtsbehörde erklärte mittlerweile, dass die als wichtigster Geldgeber der Enthüllungs-Website geltende Organisation keineswegs vor dem Aus stehe. Die Stiftung habe zwei Mahnungen erhalten, weil sie den Geschäftsbericht nicht fristgerecht eingereicht habe, erklärte das Regierungspräsidium Kassel gegenüber dpa. Das habe jedoch keine politischen, sondern stiftungsrechtliche Hintergründe. "Die Mahnung ist völlig unabhängig davon, ob es um die Wau-Holland-Stiftung oder jemand anders geht – das hat nichts mit Wikileaks zu tun", sagte Behördensprecher Michael Conrad. Eine Aberkennung des Steuerprivilegs drohe der Organisation nur bei schweren Verstößen gegen das Stiftungsrecht.

Eine Stiftung muss nach Auskunft des Regierungspräsidiums spätestens neun Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres ihren Bericht vorlegen. Geschieht das nicht, verschickt die Behörde Mahnungen – die erste nach sechs Wochen, die zweite nach vier Wochen. Reagiert die Stiftung dann immer noch nicht, setzt die Behörde einen Wirtschaftsprüfer ein, der den Bericht auf Kosten der Stiftung erstellt. Ist dieser in Ordnung, drohen jedoch keine weiteren Konsequenzen. (pmz)