"Unsere KI betrügt nie"

Ben Carter, Technischer Direktor für Fußball-Simulationen beim Spielekonzern EA, spricht im TR-Interview über intelligente Gegner, zensierte Fouls und realistische Kommentare vom Spielfeldrand.

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Von
  • Gordon Bolduan

Ben Carter, Technischer Direktor für Fußball-Simulationen beim Spielekonzern EA, spricht im TR-Interview über intelligente Gegner, zensierte Fouls und realistische Kommentare vom Spielfeldrand.

Seit rund zwei Monaten simulieren Fußballfans auf der ganzen Welt mit dem Computerspiel "FIFA 11" das professionelle Fußballgeschäft. Technology Review sprach mit Ben Carter, dem technischen Direktor von EA. Der 32 Jahre alte Informatiker arbeitet seit dem 2007 erschienen "FIFA 07" an der Fußball-Simulation mit, die Fans immer wieder durch Detailtreue und neue Features verzückt.

Technology Review: Wie und wo kommt Künstliche Intelligenz bei "FIFA 11" zum Einsatz?

Ben Carter: Wir haben zahlreiche KI-Systeme im Einsatz, um verschiedene Code-Komponenten zu steuern. Die beiden bedeutendsten sind die Künstliche Intelligenz der Mannschaftskameraden und der Gegenspieler. Aber eines muss ich an dieser Stelle ganz deutlich machen...

TR: Ja, bitte?

Carter: ...unsere KI betrügt nie. Sie greift keine Informationen vom Eingabegerät des Spielers ab oder macht nie etwas, was der Spieler nicht auch selber tun könnte.

TR: Was sind die grundlegenden Ansätze, um intelligente Gegner in Computerspielen zu garantieren?

Carter: Da gibt es verschiedene. Sie hängen davon ab, um welchen Spieltyp es sich handelt und welchen Typ von Gegner man dafür haben will. Für die Sportspiele von EA nehmen wir generell den Simulationsansatz. Um einen intelligenten Gegner zu schaffen, versuchen wir zu kopieren oder zu simulieren, was in der realen Welt passieren würde.

TR: Das bedeutet konkret?

Carter: Wenn wir ein besonderes Spielmerkmal entwickeln oder ein neue Code-Komponente schreiben, versuchen wir herunter zu brechen, was eine Person im realen Leben in dieser Situation machen würde und nützen das dann als Basis für unsere Design-Entscheidungen. Beispielsweise die Auswechslungen bei FIFA. Da gibt es verschiedene Gründe, warum ein Trainer auswechseln würde. Ein Spieler könnte verletzt sein, einfach nur müde sein oder gar ganz auf dem Feld versagen. Es könnte aber auch die Mannschaft mit der Toranzahl soweit zurückliegen, dass Stürmer auf das Feld geschickt werden müssen. Solche Gründe sind selbstverständlich für Fußballfans. Wenn wir alle diese Regeln in das Spiel codieren, scheint der Gegner elegant zu handeln.

TR: Wie sehen die neuen Ansätze aus?

Carter: Unsere Kollegen von der Eishockey-Simulation NHL verwenden eine coole Technologie. Die ahmt nach, was der Spieler selber macht. Wer ist schon intelligenter als er? Auf diese Art lehrt er das Spiel selber, intelligente Spielzüge durchzuführen.

TR: Und das reicht aus?

Carter: Das ist gar nicht so einfach. Es ist sehr schwierig, die richtige Balance hinzubekommen. Wenn sie es zu einfach programmieren, ist da Überlisten zu einfach, macht man es zu schwierig, dann wird das Spiel monoton und zu kompliziert. Der Ansatz des Lernens und des Anpassen ist definitiv etwas, mit dem wir uns mehr beschäftigen werden.

TR: Wie stellen sie sicher, dass der Gegner nicht zu intelligent wird?

Carter: Gewöhnlich stellen wir das durch verschiedene Schwierigkeitsgrade sicher. Aber dieser Ansatz ist mit Vorsicht zu genießen. Sogar im leichtesten Schwierigkeitslevel möchten Sie keine dumme Entscheidung machen, sondern eher intelligente schlechte Entscheidungen und der Spieler sollte verstehen können, warum das schlechte Entscheidungen sind. Umgekehrt wollen wir nicht, dass der Spieler irgendetwas machen kann, was eigentlich unmöglich wäre und daher dem Betrügen gleich käme. So etwas führt zu einem sehr unbefriedigenden Spielerlebnis. Daher muss das Spiel die meiste Zeit ausgewogen gestaltet werden und es muss sichergestellt werden, dass das Spiel von Level zu Level zwar mehr Herausforderungen bietet, aber trotzdem immer noch Spaß bereitet.

TR: Beim Spielen beeindrucken besonders die Kommentare der Sportreporter. Es scheint, als würden sie direkt auf das per Eingabegerät gestaltete Fußballspiel eingehen. Wie funktioniert das?

Carter: Unsere Komponente für das Gameplay evaluiert die Spielsituation und den Kontext der Begegnung und schickt dann die Daten zur Audio-Engine. Diese ist dann dafür verantwortlich auszuwählen, welche Information für den Spieler am wichtigsten ist und daher in diesem Moment vom Kommentator ausgesprochen werden sollte. Natürlich gibt es auch noch Mechanismen, die verhindern, dass sich der Kommentator zu oft wiederholt.

TR: Existieren neue Ansätze, um physikalische Gesetzmäßigkeiten zu simulieren?

Carter: Bisher haben wir versucht diese so realistisch wie nur möglich zu gestalten. Natürlich wäre es einfach, coole Technologien wie beispielsweise vordefinierte Bewegungsabläufe (Ragdoll) einzubauen. Doch würden wir damit wohlmöglich den Spieler verprellen. Daher nützen wir derzeit Physics Informationen als Eingabe für unser Animations-Auswahl-System, um beispielsweise zu bestimmen, auf welche Art ein Spieler zu fallen oder zu stolpern hat. Doch niemals gestatten wir einer solchen Informationen, dass sie die Animation grundlegend verändern könnte. Viele andere Spiele erlauben das, wir nicht.

TR: Inwieweit zwingt sie der Fortschritt in dreidimensionalen Spielen die Darstellung physikalischer Gesetzmäßigkeiten zu verbessern?

Carter: Da der Spieler immer mehr in das Spiel hineingezogen wird, sei es durch 3D oder noch detailreichere Darstellung, legt man natürlich auf ein realistischeres Zusammenspiel der einzelnen Objekte wert. Bessere Physics sind damit die natürliche Konsequenz. Wenn nämlich nicht alles mit der gleichen Realitätstreue funktioniert, kommt man aus dem Spielfluss und das wollen Spieler ganz und gar nicht. ()