Knochen aus der Spritze

Mit Hilfe eines injizierbaren Nanomaterials, das im Körper aushärtet, soll die Behandlung von Knochenbrüchen vereinfacht und beschleunigt werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Karen Weintraub

Mit Hilfe eines injizierbaren Nanomaterials, das im Körper aushärtet, soll die Behandlung von Knochenbrüchen vereinfacht und beschleunigt werden.

Bei aller medizinischen Kunst ist ein Knochenbruch nach wie vor eine langwierige Verletzung, die manchmal sogar einen chirurgischen Eingriff erfordert. Mit einer Spritze und einigen Tagen Ruhe ist es da – bislang - nicht getan. Wenn es nach Thomas Webster geht, klappt das in Zukunft aber vielleicht doch noch: Der Medizintechniker von der Brown University hat ein Nanomaterial entwickelt, das bei Körpertemperatur rasch zu einer knochenähnlichen Substanz aushärtet.

Hauptbestandteil sind dieselben Nukleinbasen, die in dem langen, verdrillten DNA-Molekül die Sprossen bilden. Jedes dieser Moleküle könne sich über zwei kovalente Bindungen mit anderen verbinden, so dass eine Röhre entstehe, erläutert Webster. Er bezeichnet das Material deshalb als „Zwillingsbasen-Binder“ („twin-base linker“).

„Dieser Binder baut sich von selbst zu einer Nanostruktur zusammen“, sagt Webster. „Man kann es so optimieren, dass es genau die mechanischen Eigenschaften des Gewebes hat, in das man es injizieren will.“ Gemeinsam mit der Medizintechnikfirma Audax Medical will Webster das künstliche Knochengewebe weiterentwickeln und in ersten Tierversuchen testen. Audax plant bereits, das Material unter dem Namen „Arxis“ zu vermarkten.

Kevin Shakesheff, der an der University of Nottingham ebenfalls an künstlichem Gewebe forscht, findet Websters Arbeit zwar beeindruckend. Der müsse aber noch zeigen, ob die Substanz dieselbe mechanische Belastbarkeit wie Knochen habe. Sie zu erreichen, sei die große Schwierigkeit. „Wenn man auf unser Material Druck ausübt, ist es so hart wie Knochen“, sagt Shakesheff. „Wenn Sie aber versuchen, es zu biegen, ist es noch nicht annähernd so fest.“

Webster ist jedoch zuversichtlich, diese Hürde zu nehmen. Das Material werde nach ein paar Minuten im Körper so aushärten, dass es derartigen Belastungen standhalten kann, sagt der Ingenieur. Bislang hat er seinen Zwillingsbasen-Binder jedoch nur im Labor getestet.

Der Mediziner Ali Khademhosseini von der Harvard Medical School verspricht sich von künstlichem Knochengewebe einiges. Bislang fügen Chirurgen bei komplizierten Brüchen, die operiert werden müssen, häufig Metalplatten ein, um die Knochen während des Zusammenwachsens zu stabilisieren. Das Metall verschleiße aber mit der Zeit und müsse, gerade bei jungen Patienten, irgendwann ausgetauscht werden, so Khademhosseini.

Einen Stoff, der sich besser in den Körper einfügt und länger hält, wünschten sich deshalb viele Gewebe-Mediziner. Sollte Websters Material so gut sein, dass es Metall vollständig ersetzen könne, würde dies das Fachgebiet auf eine neue Stufe heben, versichert Khademhosseini.

Audax Medical, das in einer ersten Finanzierung für die Entwicklung von Arxis eine Million Dollar bekommen hat, will den Zwillingsbasen-Binder zunächst bei Brüchen in der Hüfte und im Knie testen. CEO Mark Johanson hofft, das Material bis 2013 zur Marktreif zu bringen. Wenn Arxis ambulant verabreicht werden könnte, würde dies einen hohen Absatz und damit niedrige Preise ermöglichen, prognostiziert Johanson: „Das Material lässt sich relativ kostengünstig herstellen und verarbeiten.“ Er geht davon aus, dass eine Injektion mit Arxis 1000 bis 1500 Dollar kosten würde. (nbo)