Brücken bauen, Brücken abbrechen

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Von
  • Detlef Borchers

Am 24. November 2006 erschien in allen überregionalen deutschen Zeitungen eine ganzseitige Anzeige mit dem Titel „Brücken bauen“. Steve Ballmer von Microsoft und Ronald Hovesepian von Novell verkündeten im Geiste des „hohen Respekts gegenüber Softwarepatenten und anderem geistigen Eigentum“ die Errichtung einer Brücke zwischen „der Open-Source-Welt und der Welt der proprietären Software“.

Vor wenigen Tagen kündigte Novell an, dass Attachmate die Firma übernehmen wird, das geistige Eigentum von Novell mit 882 Patenten aber für 450 Millionen Dollar an eine gewisse CPTN Holdings geht, die mehrheitlich Microsoft gehört. Exakt zum Geburtstag der historischen Zeitungsanzeige ergänzte man zwei Tage später den Deal um eine deutliche Klarstellung: Das Unix-Copyright bleibt demnach bei Novell.

Eine weitere juristische Grausamkeit im Stil der unendlichen Prozessgeschichte von SCO bleibt der IT-Welt damit erspart. Aber was will Microsoft? Das Rätselraten fängt schon damit an, dass Novell nach eigenen Angaben weltweit rund 2000 Patente besitzt. Eine Abfrage des US Patent and Trademark Office liefert 757 US-amerikanische Patente. Welche 882 Patente die neu geschaffene Holding besitzt, ist derzeit völlig unklar.

Diese Vernebelung ist Absicht: Hätte Microsoft direkt die Patente übernommen, wäre die Firma nach dem „Hard-Scott-Rodino Act“ (HSR Act) verpflichtet, in einer Notiz für die Börsenaufsicht SEC Auskunft über diese Patente zu geben. CPTN Holdings ist jedoch so konstruiert, dass die Patente von einer Berichtspflicht ausgenommen sind.

Das bringt uns zurück zur Zeitungsanzeige vom historischen Brückenbau. Dort heißt es: „Außerdem werden wir den Kunden des jeweils anderen Unternehmens Patentschutz für unsere wichtigsten Produkte zur Verfügung stellen. So können wir unseren Kunden höchste Interoperabilität bieten.“ Sieht man von der seltsamen Definition der „Interoperabilität“ ab, bleibt die Vermutung, dass Microsoft über CPTN Holdings gezielt den Novell gehörenden Teil der Patentschutzbrücke aufgekauft hat. Damit wären die Redmonder Alleineigentümer der Brücke zwischen Open-Source- und proprietärer Software und könnten über den weiteren Ausbau oder deren Abriss autonom entscheiden.

Man könnte das aber auch anders deuten, als Teil eines groß angelegten Plans, Google auf allen Ebenen zu attackieren. Dass es einen solchen gibt, steht für den Daily Telegraph außer Zweifel. Als Beleg führen die Briten die Brüsseler Lobby-Organisation „Initiative for a Competitive Online Marketplace“ (ICOMP) an, die von Microsoft finanziert und hinter vorgehaltener Hand als Marketing-Proxy bezeichnet wird. ICOMP hatte in der jüngeren Vergangenheit intensive Lobbyarbeit für eine kartellrechtliche Untersuchung der EU gegen Google geleistet. Die von Microsoft beauftragte PR-Agentur Burson-Marsteller verschickt immer dann ICOMP-Stellungnahmen, wenn Google etwas Böses getan hat oder ein EU-Mitglied meint, dass Google böse ist. Ob die erworbenen Patente Material hergeben, Google anzugreifen, muss die Zukunft zeigen. Vielleicht will man ja nur eine neue Brücke bauen?

Alle Links: www.ix.de/ix1101003 (kd)