Jugendmedienschutz-Novellierung endgültig gescheitert

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat am Donnerstag der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) einstimmig die Zustimmung verweigert. Damit kann der umstrittene neue Staatsvertrag nicht wie geplant am 1. Januar 2011 in Kraft treten, sondern ist vorerst vom Tisch.

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Von
  • Holger Bleich

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen (NRW) hat am Donnerstag der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) einstimmig die Zustimmung verweigert. Damit kann der neue, umstrittene Staatsvertrag nicht wie geplant am 1. Januar 2011 in Kraft treten, sondern ist vorerst vom Tisch.

Das Ergebnis kam zustande, weil die CDU-Landtagsfraktion am Dienstag erklärt hatte, gegen den Vertrag stimmen zu wollen. Dies war überraschend, weil noch im Juni der damalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers dem Vertragstext ohne Einschränkung zugestimmt und ihn unterschrieben hatte. Da auch die anderen Oppositionsparteien, FDP und Linke, den JMStV ablehnen, fehlte der Minderheitsregierung von SPD und Grünen jede Unterstützung. Wollten sie zuvor noch für den JMStV stimmen, beschlossen die Fraktionsmitglieder der beiden Parteien am Mittwoch, der Novellierung ebenfalls die Zustimmung zu verweigern.

In der heutigen Landtagsdebatte erklärte Andreas Krautscheid, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in NRW, warum seine Fraktion nicht zustimmen könne: Er halte den neuen JMStV zwar "in der Tendenz für einen guten Staatsvertrag". Aber es gebe zu viele Unsicherheiten, so seien etwa die technischen Grundlagen für die Kennzeichnung von Webseiten noch nicht fertiggestellt. Briefe von verunsicherten Website-Betreibern hätten offenbart, dass Formulierungen im Vertragstext zu unklar seien. Überhaupt sei der Diskurs mit der "Netzgemeinde" zu spät angestoßen worden.

Institutionen, die für die praktische Ausgestaltung des JMStV zuständig sind, äußerten sich enttäuscht über die außergewöhnliche Entscheidung des NRW-Landtags. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) sah in der Option der Alterskennzeichnung "einen progressiven und pragmatischen Schritt", der nun nicht umgesetzt werden könne. Die Vorstandsvorsitzende der FSM, Gabriele Schmeichel, hofft, "dass die guten Ansätze aus der Novellierung und die Vorarbeiten der letzten Monate nun nicht gänzlich in der Versenkung verschwinden".

Bei der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) als Aufsichtsgremium herrscht ebenfalls Ernüchterung. Man habe "in den letzten Monaten intensiv mit allen Beteiligten an der praktischen Umsetzung der Novelle gearbeitet, um die Neuregelungen mit Leben zu erfüllen", heißt es in einer Mitteilung. Die KJM bedauere das Scheitern, "dennoch kann sie vieles, das bereits erarbeitet wurde, als Grundlage für die Weiterentwicklung des Jugendmedienschutzes nutzen".

Beide Institutionen betonten ausdrücklich, dass die seit 2003 gültige Version des JMStV nun auch über den 1. Januar 2011 hinaus Bestand habe. Es entstehe "kein rechtsfreier Raum", erklärte die KJM. So sieht es auch der federführend an der Novellierung beteiligte Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck. "Mit der alten gesetzlichen Regelung sind die Anbieter weiterhin auf die derzeit gültigen Sendezeitgrenzen im Netz angewiesen, die auch die Informationsfreiheit der erwachsenen Nutzer deutlich einschränken", sagte der Ministerpräsident. Beck, der auch Vorsitzender der Rundfunkkommission ist, kündigte an, dass nun "die staatliche Regulierung von oben Platz greifen wird. Basierend auf den derzeitigen rechtlichen Grundlagen werden die Jugendschutzbehörden Sperrverfügungen erlassen".

Auch in der heutigen Landtagsdebatte wurde deutlich, dass alle Beteiligten bald einen neuen Anlauf für eine Novellierung des Jugendmedienschutzes starten werden. Man wolle die "Netzgemeinde" früher und intensiver in die Diskussion um neue Jugendschutzregeln fürs Internet einbeziehen, hieß es von Vertretern aller Fraktionen. Alvar Freude, Mit-Gründer des AK Zensur und Vorstand im Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V., machte heute schon einmal deutlich, wo seiner Ansicht nach die Schwerpunkte neuer Regeln liegen sollten: "Es ist zu hoffen, dass die Politik nun ihr Versprechen einlöst und die wirklich Betroffenen in die Entwicklung neuer Regelungen einbezieht. Dann besteht die Chance, neue, moderne, technisch ausgereifte und medienpädagogisch sinnvolle Maßnahmen zu finden. Wir sind gerne bereit, daran mitzuwirken!" (hob)