Weiter Wirbel um Wikileaks [Update]

Die Affäre Assange sorgt auch kurz vor den Feiertagen verlässlich für Schlagzeilen. Der nicht unumstrittene Wikileaks-Gründer verteidigt sich im BBC-Interview, und auch Altkanzler Schmidt hat eine Meinung dazu. Apple löscht derweil eine Wikileaks-App aus dem Store.

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Die von Wikileaks ausgelöste mediale Erregungswelle schwillt weiter an und hat ihren Höhepunkt offenbar noch nicht erreicht. Julian Assange wirft den beiden Frauen, die er sexuell bedrängt haben soll, in einem BBC-Interview vor, überreagiert zu haben und wittert politische Motive. Im Zeit-Magazin gibt Altkanzler Helmut Schmidt seine Meinung zum Umgang mit Assange kund. Und auf Twitter sorgt die Löschung einer Wikileaks-App aus Apples App Store für Aufregung – dabei gibt es dafür offensichtlich eine einfache Erklärung.

Gegenüber der BBC hat Wikileaks-Gründer Assange den beiden Schwedinnen, die mit ihrer Aussage das Verfahren gegen ihn ins Rollen gebracht hatten, Überreaktion vorgeworfen. Die Frauen seien wohl "nervös geworden", weil sie Angst vor der Übertragung von Geschlechtskrankheiten bekommen hätten. Sie hätten sich deshalb ratsuchend an die Polizei gewandt, sagte Assange in einem Interview mit der BBC am Dienstag. Daraufhin habe sich die schwedische Polizei auf den Fall gestürzt.

Assange ist derzeit unter strengen Auflagen in Großbritannien auf freiem Fuß und muss bis zur Entscheidung über eine Auslieferung an Schweden im Anwesen seines Freundes Vaughan Smith in Südostengland bleiben, eine elektronische Fußfessel tragen und sich täglich bei der örtlichen Polizei melden. Der Wikileaks-Gründer fürchtet, in Schweden keinen fairen Prozess zu bekommen. Die schwedische Justiz wolle ihn und seinen Anwalt unter Kommunikationsverbot stellen, sagte der Internet-Aktivist der BBC: "Das sind nicht die Verhältnisse, unter denen ein fairer Prozess stattfinden kann."

Der 39 Jahre alte Australier beteuert, der Sex mit den beiden Frauen sei einvernehmlich gewesen. Es gebe Hinweise, dass die Schwedinnen zur Polizei gegangen waren, um sich Ratschläge zu holen. Sie seien möglicherweise von der Polizei hereingelegt worden. Es gebe auch andere Darstellungen, wonach die Frauen eine Gesetzeslücke ausnutzen wollten. Wer zur Polizei gehe, um sich Ratschläge zu holen, könne nicht wegen falscher Anschuldigung belangt werden.

Diesseits des Ärmelkanals hat sich elder statesman Helmut Schmidt in die Debatte eingeschaltet. Der ehemalige Bundeskanzler hält die Jagd der Amerikaner auf Assange für "unklug": "Das wirkt wie Rache, und das ist es auch", so Schmidt im Zeit-Magazin. Die Veröffentlichungen von Wikileaks will Schmidt allerdings nicht grundsätzlich gutheißen. Zwar gebe es bei Themen wie Abu Ghraib oder Guantánamo eine "moralische Pflicht zur Veröffentlichung" von geheimen Dokumenten, erklärte Schmidt. "Aber es muss möglich bleiben, dass ein Gespräch, das zwei Personen miteinander führen, vertraulich bleibt." Für die amerikanische Regierung dagegen seien "diese Veröffentlichungen eine schlimme Sache".

Unterdessen richtet sich der Zorn der Twitterati einmal mehr gegen Apple: Das Unternehmen hat eine vor Kurzem veröffentlichte inoffizielle Wikileaks-App aus seinem App Store verbannt. Entwickler Igor Barinov bestätigte den Vorgang laut TechCrunch und beteuert, dass von der Downloadgebühr von 1,99 US-Dollar die Hälfte als Spende an Wikileaks gehen sollte. Über den Grund für die Verbannung hülle sich das Unternehmen wie üblich in Schweigen. Deshalb muss sich der Konzern jetzt Vorwürfe anhören, er stelle sich wie Paypal, Mastercard und andere Vertreter der Branche an die Seite der US-Regierung und drehe Wikileaks einen weiteren Geldhahn zu. Der Grund dürfte aber ein ganz einfacher sein: Apples Regeln für den App Store (PDF-Datei) besagen unter Punkt 21 ("Charities and contributions"), dass Spenden-Apps selbst kostenfrei sein müssen. Spenden dürfen nicht über die Download-Gebühr eingesammelt werden, die Abwicklung muss über SMS oder Webseiten erfolgen.

[Update: In einer knappen Stellungnahme gegenüber US-Medien hat Apple inzwischen erklärt, die App wegen Verstoßes gegen die Entwickler-Richtlinien aus dem Store genommen zu haben. "Apps müssen allen lokalen Gesetzen entsprechen und dürfen Individuen oder Zielgruppen nicht gefährden", teilte eine Sprecherin mit.] (vbr)