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Was war. Was wird.

Web 2.0, Big Brother 2.0, Bobos 2.0 - ja, brauchen wir denn das alles, fragt sich Hal Faber in all seiner Naivität. Dabei wünscht er sich doch eigentlich nur ein Fernsehen 2.0.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Ich frage mich ja manches Mal schon, ob ich schlicht zu blöd bin für diese Welt, zumindest für diese Medienwelt. Oder, um nicht gleich in Sack und Asche gehen zu müssen, einfach zu naiv, so naiv, dass ich noch an das Gute im Menschen glaube. Ja, denkt es in mir so vor sich hin, ich zahle gerne meine Rundfunkgebühren, schließlich sind die öffentlich-rechtlichen Sender ein wichtiges Korrektiv in der Medienlandschaft. Und selbst ein Altherrenwitze reißender, sich juvenil gebärender Blondschopf, der als Deutschlands bester Entertainer gilt, erscheint noch nicht als Gegenbeweis, dass ARD und ZDF nicht doch eine im Bürokraten-BastianSchlick-Deutsch "Bildungsauftrag" genannte Funktion haben, die sie auch erfüllen. Immerhin zeigen Länder, die keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk kennen, wie tief man im Fernsehen sinken kann. Aber ach, es häufen sich die Alltagsabende und Wochenenden, an denen jeder über die GEZ an die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten geleitete Cent schmerzt. Wenn Traumpaare in der ARD um die Wette tirilieren, während so genannte volkstümliche Musikanten und andere, eher minderbegabt Schlager darbietende Figuren im ZDF vor sich hinjodeln, ergibt sich fast schon automatisch die Frage, ob nicht in Wirklichkeit die Privatsender das wahre Korrektiv sind. Der Abgrund, der sich nach dem potenziellen – nun doch abgeblasenen und wohl nie ernsthaft in Erwägung gezogenen – Einstieg von Berlusconi bei ProSiebenSat.1 aufzutun schien, erscheint als der ehrlichste Aufenthaltsort für deutsche Fernsehmacher. Ob wir eine GEZ-Gebühr für Internet-PCs brauchen, mag umstritten sein – wenn wir dafür Fernsehen 2.0 bekommen, dann nur her damit.

*** Das aber, das dürfte dann zu ganz neuen Verwerfungen führen, nicht nur wegen all der seltsamen Erregung, die den Niedergang des Privatfernsehens beklagt, die Finanzierung vernünftiger TV-Anstalten aber im Dunkeln lässt. All dieses 2.0 treibt aber sowieso gar seltsame Blüten. Es mag manche Leser langweilen, aber wir sollten daher noch einmal einen Blick auf dieses 2.0 werfen. Auf die Bobos  2.0 und ihr schickes neues Internet 2.0. Denn die Sache nimmt überhand. Mittlerweile schwappt der Begriff zurück in die reale Welt, es gibt sogar Zement 2.0. Nach all dem Katzencontent in den Weblogs ist es nur konsequent, wenn es Ein Herz für Tiere 2.0 heißt und eine aktive Community von 23,1 Millionen Haustieren ihre Rechte einfordert. Und für unsichere Menschen, die nicht genau wissen, was der ganze Zauber soll, gibt es Life-Coaching vom Typ 2.0 durch die Internet-Psychologin Felicitas.

*** Mit 2.0 wird das Web nicht nur persönlich, sondern so persönlich, dass es peinlich wird. Prompt gibt es Menschen, denen die Trennung von Berufs- und Privatleben nicht mehr gelingt. Im schlimmsten Fall geben sie ihre Privatsphäre preis und flickrn und youtoubn und podcastn, was das Zeug hält. Selbst die Wut im Bauch wird dann sozialverträglich auf einer Wuthalde abgeladen. Selbr schuld, könnte man meinen und die Sache abtun, aber die Privatsphäre ist eine ganz seltsame Medaille mit ganz vielen Seiten. Man könnte sich ja auch im Web 2.0 anonym bewegen, ist das beliebteste Argument der neuen Bobos. Nehmen wir nur StudiVZ, den Klon einer US-amerikanischen 2.0-Idee, die gerade ganz stolz ist, eine Million Studenten in Deutschland versammelt zu haben. In deren Geschäftsbedingungen heißt es: "Im Profil oder in sonstigen Bereichen des Portals absichtlich oder in betrügerischer Absicht gemachte Falschangaben – insbesondere das Vortäuschen einer fremden Identität – können zivilrechtliche Schritte nach sich ziehen." Studi, bleib bei deinem Namen, auch wenn viele Details darauf hindeuten, dass StudiVZ selbst es nicht so genau nimmt und sich im Ausland schon einmal hinter einer Kontaktanbahnungsfirma namens Parship versteckt. Welche zum Holtzbrinck-Konzern gehört, der in StudiVZ investiert hat.

*** Im vorherigen WWWW habe ich auf den Geschäftsführer von StudiVZ verwiesen, der immerhin so konsequent ist, sein Schweinsein 2.0 mit Fotos, texten und Videos im Web 2.0 auszustellen. Auch wenn mittlerweile seine diversen Toilettenvideos und Bilder gelöscht sind, kann man in den Textruinen noch lesen, wie Fragen aus einem Bewerbungsinterview als "Anmachspruch" genutzt werden können. Wobei eine Anstellung bei StudiVZ nach erfolgreicher Bewältigung der Anmache dazu führen kann, dass es schnell ans Machtergreifen geht. Machtergreifen wohlgemerkt, nicht das übliche Wischiwaschi von "leitende Funktion übernehmen". Wer dann noch mit dem Kürzel RMVP über eine Domain namens Völkischer-Beobachter.de im "Kampfblatt der Vernetzungsbewegung Europas" darüber jubiliert, dass Millionen deutscher Studenten bis zum Herbst mobilisiert sein werden, der zeigt sein wahres Antlitz. Ist es wirklich nur eine harmlose Partyeinladung, die das "Gebot der Pflicht" zur Feier des Führergeburtstages und des "Erfolges unserer Bewegung" oder zeigt sich nicht eine braune Denke, die gleich mit der Einladung das Abspielen von undeutschem Rap und Jazz nicht gestattet? Vor lauter Ekel mag es einem egal sein, was man hört, ob Gnarls Barkley, Russell Gunn, Matthew Shipp oder beispielsweise Wu-tang Clan, Hauptsache, es ist etwas, was diesem Herrn nicht behagt. Natürlich gibt es diejenigen, die geblendet von den Millionen deutscher Studenten auf StudiVZ und der schieren Größe und dem blitzsiegartigen Erfolg des Unternehmens von einem Streich eines dummen Jungen sprechen. Die, die Kritik an einem echten 2.0-Unternehmer, der diese Vorlage zum 65. Geburtstag Adolf Hitlers für seine Community verwendete, als blogvölkisch abtun und sich ganz tief bücken. "Europa steht standhaft und treu zum StudiVZ" titelte der neue Völkische Beobachter. Das mit seinen gefakten Niederlassungen Europa nach Strich und Faden verarscht.

*** Seit Montag ist das Fläschchen-Täschchen-Gebot auf Flughäfen in Kraft. Es geht auf einen Terrorarlarm in London zurück, bei dem möglicherweise ein Mix von Flüssigkeiten zum Einsatz kommen sollte. Nun hat sich in dieser Woche Elizabeth Manningham-Buller zu Worte gemeldet, die Chefin des Inlandsgeheimdienstes MI5 und damit die oberste Terror-Bekämpferin des Vereinigten Königreiches. In einer ihrer seltenen öffentlichen Reden nannte sie die Zahl von 200 islamistischen Gruppen mit insgesamt 1600 bekannten Personen, die über 30 konkrete Terror-Anschläge planen. Man könnte jetzt die Gegen-Aufstellung von Massoud Shadjareh zitieren, dem Vorsitzenden der britischen Islamic Human Rights Commission. Danach sind seit dem mutmaßlichen Terror-Anschlag mit verschiedenen Flüssigkeiten 1000 Menschen in Großbritannien verhaftet worden. 29 wurden im Zusammenhang mit terroristischen Akten verurteilt, davon waren 8 Personen Moslems. Verlinken ist derzeit nicht möglich, die entsprechende Presseerklärung musste gelöscht werden. Denn der Krieg gegen den Terror eskaliert, wie jeder Krieg. So wurde eine Frau verhaftet und angeklagt, weil auf der Festplatte ihres Computers terroristische Texte gespeichert waren. Das ist der Tatbestand. Wie glücklich können wir uns darum schätzen, dass in der BRD nun 132 Millionen Euro da sind, die IMAS zu gründen, den Blogwart aller Festplatten, in Verehrung von Markus Wolf. Vergessen wir nicht mit Ingo Wolf, dass wir online zielgerichtet die geschützte häusliche Sphäre verlassen. Und wenn wir etwas offline speichern?

*** Vielleicht sollte man in diesen Fällen das richtige Verschlüsseln lernen. Nicht unbedingt mit Windows Vista, das allein durch sein Design unglaublich sicher ist. Da gibt es Vista-Versionen mit dem Verschlüsselungs-Werkzeug Bitlocker, das den britischen Terror-Jägern eine Absage erteilt. Scharf, was? In den Fällen, in denen kein Trusted Platform Module (TPM) im Rechner steckt, speichert Bitlocker den Schlüssel zum Entschlüsseln auf einem USB-Stick. Und die Vista-Hilfe mahnt: Es gibt Fälle, in denen der Stick den Behörden übergeben werden muss. Dagegen hilft nur der schicke Privacy Dongle aus Bielefeld. Und der oder die Erste, die jetzt im Forum mit dem abgelutschten Bielefeld gibbet nich kommt, den wird die Hölle 2.0 holen. In ihr wird 24 Stunden lang gegruschelt. Ein endloses Bewerbungsinterview gewissermaßen, ganz ohne diese Kastrationsängste.

Was wird.

Seit mehreren Tagen berieselt mich ein Blatt mit der Werbung, dass der Mensch zu einem Drittel aus Muskeln besteht. Für jemanden, der so fett ist, wie ich es bin, ist das natürlich eine Herausforderung. Ohne Frage ist die Medica die wichtigste Veranstaltung der kommenden Woche. Zeigt sie doch nicht Viagra, Hoodia und Anatrim oder sonst ein Mittelchen, den Ständer zu bekommen. Denn frei nach dem großen Kant nutzt nur ein guter Schluck. Was ist schon Fett, was Göbelmasse, wenn VDE-konform aktive RFID-Implantate mir jederzeit mitteilen können, dass ich satt bin oder einen über den Durst getrunken habe, wenn ich Tanja-Anja abschleppen will. Leute! Sind wir nicht alles Schweine? Schweine 1.0, Schweine 2.0 usw, usf. Ach ja, ich habe vergessen: Die einen sind Prosciutto, die anderen einfach nur Speck. (Hal Faber) / (jk)