Das Morgen von gestern
"Wir blicken so gern in die Zukunft", schreibt Goethe, "weil wir das Ungefähre, was sich in ihr hin und her bewegt, durch stille Wünsche so gern zu unseren Gunsten heranleiten möchten". Mit Prognosen sollte man allerdings, wie sich immer aufs Neue zeigt, sehr vorsichtig sein.
- Peter Glaser
"Wir blicken so gern in die Zukunft", schreibt Goethe, "weil wir das Ungefähre, was sich in ihr hin und her bewegt, durch stille Wünsche so gern zu unseren Gunsten heranleiten möchten". Mit Prognosen sollte man allerdings, wie sich immer aufs Neue zeigt, sehr vorsichtig sein.
"Von all den irrsinnigen und fantastischen Plänen, von denen ich je gehört oder gelesen habe, ist dies zweifellos der aberwitzigste", befand der Königlich-Britische Generalpostmeister Thomas William Anson, der erste Earl of Lichfield, anno 1840 zur Einführung von Briefmarken in Großbritannien. Zu der Zeit wurde Post direkt vom Empfänger bezahlt. Am 1. Mai 1840 wurde unter dem Namen One Penny Black die erste Marke in Verkehr gebracht.
Und Charles H. Duell, Vorstand des US-Patentamts, sagt im Jahr 1899: "Es gibt nichts Neues mehr. Alles, was man erfinden kann, ist schon erfunden worden."
Recht hellsichtig dagegen schrieb der "Saturday Evening Post"-Kolumnist Octavus Roy Cohen im Jahr 1893 über die Zeit in 100 Jahren: "Es wird nur wenige gute Theater geben, denn jeder vernünftige Mensch (und davon gibt es 1993 eine ganze Menge) wird einen Telephoten in seiner Wohnung haben. Und damit kann er jedes Unterhaltungsprogramm in der Stadt sehen und hören."
"Was, Sir? Sie wollen ein Schiff gegen den Wind fahren lassen, indem Sie unter seinem Deck ein Feuer anzünden? Ich habe keine Zeit, mir solchen Unsinn anzuhören." Napoleon Bonaparte war von dem Vorschlag des amerikanischen Ingenieurs Robert Fulton, die britische Flotte mit Dampfschiffen zu schlagen, nicht sehr eingenommen. Fulton baute 1804 das U-Boot Nautilus.
Die Zeitschrift "The Quarterly Review" vermerkte im Jahr 1825: "Was kann absurder sein als die Vorstellung, dass ein Fahrzeug zweimal schneller als die Postkutsche fährt?" Naja, sowas vielleicht?
Auf dem ersten Vorstandstreffen der Bell Telephone Company 1877 wurde eine Bemerkung des damaligen US-Präsidenten Rutherford B. Hayes über das Telefon thematisiert: "Eine erstaunliche Erfindung. Aber wer sollte sie jemals benutzen wollen?"
"Theoretisch und technisch mag das Fernsehen denkbar sein, aber kommerziell und finanziell sehe ich es als Unmöglichkeit an – es ist müßige Zeitverschwendung, davon zu träumen", urteilte Lee De Forest im Jahr 1926. De Forest war Erfinder, hielt über 180 Patente und gilt als Vater des amerikanischen Radios.
"Während der Rechner ENIAC mit 18.000 Vakuumröhren ausgerüstet ist und 30 Tonnen wiegt, sind für die Zukunft Computer denkbar, die nur 1.000 Vakuumröhren haben und nur 1,5 Tonnen wiegen", schrieb das Magazin "Popular Mechanics" im März 1949. Laptops waren damals noch jenseits des Vorstellungshorizonts.
"Mit YouTube werden wir nicht weit kommen. Es gibt da einfach nicht genug Videos, die ich sehen möchte", sagte Steve Chen, Mitgründer von YouTube, im März 2005. Zu der Zeit gab es auf YouTube etwa 50 Videos. Zwei Jahre später wurde YouTube von Google gekauft – für $1,65 Milliarden Dollar in Google-Aktien. Derzeit werden täglich etwa 100 Millionen YouTube-Videos angeklickt. Um alle 200 Millionen Videos auf YouTube zu sehen, würde man etwa 1000 Jahre brauchen – ununterbrochen.
"Das Spam-Problem wird innerhalb der nächsten zwei Jahre beseitigt sein", prognostizierte Bill Gates im Januar 2004 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Gegenwärtig laufen täglich geschätzt 200 Milliarden Spam-Mails durchs Netz, etwa 90 Prozent des weltweiten Mail-Verkehrs.
Auch wenn viele Vorhersagen fehlgehen, so gibt es doch einige, die durch ihre Weitsicht erstaunen, wie dieser Ausblick in die Zukunft, den der Schriftsteller August Fetz im Jahr 1907 unternahm: "Jedermann hat in seinem Hause, in seiner Wohnung, den eigenen "Nachrichtenrahmen". Die neuesten Tagesnachrichten werden in den Zentralen depeschenartig kurz und nur einmal gedruckt. Gleichzeitig ĂĽbertragen sich die Depeschen auf allen Nachrichtenrahmen der gesamten Zeitungsleser. Durch seine Fernseher-Verbindung liest er von dem BĂĽcher- und Zeitungsraume oder an jedem anderen Orte aus die Tagesberichte so gemĂĽtlich und in aller Bequemlichkeit, wie er sichs nur wĂĽnschen kann." (bsc)