Amiga: ein rotkarierter runder Geburtstag

Heute vor 20 Jahren stellte Commodore den ersten Amiga auf einer Party in New York vor.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute vor 20 Jahren stellte Commodore den ersten Amiga auf einer Party in New York vor. Zu diesem Zeitpunkt war der Amiga auf der Basis des 68000-Prozessors von Motorola der fortschrittlichste Heimcomputer: Er verfügte über spezielle Chips für Grafik und Ton, die lustige Namen wie Agnus, Denise und Paula trugen. Er kam mit einem Betriebssystem und einem Speichermanagement, das bereits Multitasking erlaubte. "Wahrend Sie ein Memo drucken und Ihre Datenbank durchsuchen, kann das Modem im Hintergund die neuesten Börsenkurse empfangen", prahlte Commodore in der Pressemeldung.

Im New Yorker Lincoln Center wurden vor allem die grafischen Fähigkeiten dem entzückten Publikum von Andy Warhol präsentiert, der mit dem Amiga und Graphisoft von Islands Software ein Bild der Sängerin Debbie Harry (Blondie) verfremdete. Dazu gab es Musik, mit Musicraft aus dem Amiga-Synthesizer von Roger Powell produziert -- die New Yorker Clubszene kam auf ihre Kosten. Multimedia war das Zauberwort der Stunde.

In historischer Rückschau gebührt dem ersten Amiga der Ruhm, in der Welt der Homecomputer die Umstellung von 8- auf 16-Bit-Systeme eingeleitet zu haben. Ein großer Erfolg wurde der bald Amiga 1000 genannte Computer jedoch nicht. Den schaffte erst das Einsteiger-Modell Amiga 500, das sich als Spieleplattform gegen die Konkurrenz der ST-Computer von Atari behaupten konnte.

Der erste Amiga war das Produkt des Atari-Ingenieurs Jay Miner, der von den 8-Bit-Computern dieser Firma genug hatte und ein Projekt auf der Basis von Motorolas neuem 68000er vorschlug. Mit privatem Kapital wurde der Computer unter dem Codenamen Lorraine in einer neu gegründeten Firma so lange entwickelt, wie Geld vorhanden war. Kurz vor der drohenden Pleite tingelte man mit dem Prototypen über Computershows und sprach bei den einschlägigen Firmen vor. Bei Apple winkte Steve Jobs ab, doch die Time Warner gehörende Atari wie auch Commodore zeigten sich halbherzig interessiert. In beiden Firmen wurde über Nachfolger für die erfolgreichen Homecomputer wie den C 64 oder Atarai 800 nachgedacht. Atari zahlte Geld an und setzte einen Knebelvertrag auf, doch am Ende machte Commodore mit einem guten Übernahmeangebot das Rennen.

Beim ehemaligen Schreibmaschinenhersteller Commodore musste damals der Firmengründer, der Auschwitz-Überlebende Idek Tramielski (Jack Tramiel) seinen Posten räumen. Er nahm die fähigsten Ingenieure mit. Während Tramiels Mannschaft aus CP/M, GEM und billigen standardisierten Bauteilen einen Rechner entwickelte, der später als Atari ST sozusagen der Nachfolger des C 64 wurde, baute man umgekehrt bei Commodore mit dem Amiga praktisch den Nachfolger der Ataris. Als Betriebssystem setzte man auf eine Variante von TripOS der englischen Metacomco, das viele Unix-Konzepte enthielt und von einer grafischen Benutzeroberfläche überdacht wurde. Das ganze System wurde zwischen der Ankündigung im Juli und der ersten Auslieferung im September programmiert.

Leider war der Amiga 1000 eine teure Angelegenheit. Seine überragenden Grafik- und Videofähigkeiten wie das Vermögen zur Genlock-Synchronisierung machten den Amiga zur Lieblingsmaschine der TV-Produzenten. Noch heute kann man bei den Fernsehanstalten den einen oder anderen Amiga entdecken. Fernsehserien wie Miami Vice und Robocop nutzten die Möglichkeiten des Rechners, bei den Filmstudios kam er in Jurassic Park und Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft zum Einsatz. Doch dieselben Firmen, die den Amiga für die Bildproduktion nutzten, kauften für die Büroarbeit IBM-kompatible Rechner. Der Geschäftsmann, der gleichzeitig malt, komponiert und die Börsenkurse per Modem holt, blieb ein Traum der Marketiers.

Eigentlich gehört es nicht zu einem Geburtstagsständchen, doch weil der Niedergang des Amigas ebenfalls eine Klasse für sich war, sei er hier erwähnt. Er begann Anfang der 90er-Jahre, als die Standardkomponenten in den IBM-kompatiblem Systemen immer leistungsfähiger (und billiger) wurden und sich der PC zur Multimedia-Maschine zu entwickeln begann. Hier erwies sich das Konzept, mit speziellen Chips einen Leistungsvorsprung zu haben, als hinderlich. Am Ende waren die Chips und das eng mit ihnen verzahnte AmigaOS zu unflexibel, war die Produktion im großen Maßstab schlicht zu teuer. Hastig auf den Markt geworfene Amiga-Varianten mit großen Qualitätsproblemen verschlimmerten die Lage. Als Commodore schließlich in Konkurs ging, plünderten Investoren wie Escom/Tulip die Konkursmasse aus, ohne sich groß um die Amiga-Welt zu scheren. Als eigenständige Firma werkelte eine deutsche Amiga Technologies eine Weile vor sich hin und musste dann ebenfalls schließen. Über das Ende existieren sehr   unterschiedliche Darstellungen. Von all den Projekten existieren heute noch ein AmigaOS und ein kommerziell verkaufter Emulator.

Jahrelang hatten die Amiga-Fans mit dem Einwand der herrschenden PC-Lehre zu kämpfen, ihre Rechner seien nur Daddelkisten und mit keiner seriösen Anwendung zu gebrauchen. Es entbehrt nicht der Ironie, dass heute abseits der Laptops kaum ein PC verkauft werden kann, der nicht zum Spielen geeignet ist. Damit die echten Amiga-Fans weiter spielen können und der rote Ball weiter hüpfen kann, helfen Emulatoren, den Geburtstag zu feiern. Eine kleine Auswahl:

Windows:

Linux:

Mac OS X:

Weitere Hinweise finden sich beispielsweise auf den Amiga-Seiten bei der AEP Emulation Page. (Detlef Borchers) / (jk)