Seltene Erden: kein Mangel bei "ordentlichem Recycling"

Seltene Erden: kein Mangel bei "ordentlichem Recycling"

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Von
  • Gernot Goppelt

China hat in den vergangenen Jahren eine weltweite Angebotsmacht bei Schlüsselrohstoffen erlangt: Es beherrscht den Markt für Seltene Erden. Abhängig sind auch Europa und Deutschland. Ohne die begehrten Metalle sind moderne High-Tech-Produkte wie Handys, Computer-Chips, Röntgengeräte, Katalysatoren, Akkus, Energiesparlampen oder auch Innovationen wie Elektroautos kaum machbar. Lanthan etwa wird für Batterien und Solarzellen benötigt, Neodym-Magnete werden in Elektromotoren, Windkraftanlagen oder auch Kopfhörer eingebaut. Als China im Vorjahr weitere Exportdrosselungen ankündigte, rückte die einseitige Abhängigkeit der anderen Länder mit einem Schlag ins Blickfeld. Die deutsche Industrie schlug Alarm. Auch die Bundesregierung reagierte mit Besorgnis und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) redete "Tacheles" mit den Chinesen. Brüderle ließ im Zuge einer neuen Rohstoffstrategie zur Sicherung von Ressourcen im vergangenen Jahr die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) gründen, die auch die Seltenen Erden in den Blick nimmt.

Panikmache scheint aber unangebracht. Nach aktuellen Informationen aus der Agentur muss eine übertriebene Dramatik wieder gedämpft werden. Derzeit gebe es keine akute Versorgungsnot, sagt DERA- Experte Harald Elsner der Nachrichtenagentur dpa. Wie heftig für Deutschland die politisch von Peking gewollte Verknappung noch ausfallen kann, ist aber unklar. Der Bonner Händler Gunther Maassen sieht die Lage relativ gelassen. Seit Jahresanfang seien zwar etwa 15 Prozent weniger Metalle aus China verfügbar, erklärt Maassen. "Wir können aber nach wie vor kaufen und alle Verträge, die wir mit den Chinesen gemacht haben, sind bisher erfüllt worden." Kurzfristig könne es temporäre Engpässe bei einigen Metallen geben, erläutert Maassen. Das sei aber ähnlich wie beim Schweinezyklus: Bei Angebotslücken werde die Erzeugung wieder erhöht. Dies geschehe jetzt auch bei den seltenen Metallen. Wenn Minen vor allem in den USA (Molycorp in Kalifornien) und Australien (Lynas), wie geplant Ende 2011 oder Anfang 2012 anliefen, werde sich die Versorgungs- und Preislage etwa ab 2014/2015 auch wieder entspannen.

China liefert weltweit zur Zeit rund 97 Prozent der Seltenen Erden. Es besitzt zwar auch als einzelnes Land die größten Reserven, doch nur schätzungsweise 30 Prozent der weltweit entdeckten Vorkommen. Die 17 Seltenen Erden und mehrere Dutzend weiterer begehrter Metalle kommen in vielen Ländern vor und sind geologisch auch nicht so rar, wie es die Bezeichnung nahelegt. Sie wurden aber – wie in den USA – vor allem aus Kostengründen nicht oder nicht mehr abgebaut. Jetzt zeigen viele mit dem Finger auf die vermeintlich bösen Chinesen. Aber Unternehmen in anderen Ländern schlossen ihre Lagerstätten freiwillig oder explorierten nicht weiter, weil die Chinesen die Rohstoffe mit billigen Arbeitskräften und niedrigen Umweltauflagen preisgünstig aus der Erde holten. Förderung und Aufbereitung bedeuten auch gefährliche Drecksarbeit mit giftigen Stauben und Umweltzerstörung durch vergiftete Schlämme. Die Position Chinas gegen einen Billig-Ausverkauf ist auch damit begründet, dass die Chinesen bei der Eigenversorgung – sie sind selbst weltweit größter Nutzer – nicht in die Enge geraten wollen. China selbst hat immens steigenden Eigenbedarf und will die wertsteigernde Verarbeitung in modernen Technologieprodukten auch selbst in die Hand nehmen und nicht nur billiger Rohstofflieferant sein.

"Seit mindestens zehn Jahren hätte man wissen müssen, was auf uns zukommt", sagt Maassen. Gegenüber China jetzt ein Drohszenario aufzubauen und wegen unerlaubter Ausfuhrbeschränkungen mit Sanktionen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) zu drohen, sei der falsche Weg. "Wir müssen mit den Chinesen partnerschaftlich verhandeln." Er hat gute persönliche Kontakte nach China und ordert seine Ware direkt. In der Lagerhalle des bereits vor rund 60 Jahren gegründeten Bonner Familienbetriebs zeigt Maassen seine Schätze an Seltenen Erden und anderen seltenen Metallen wie Indium, Lanthan, Terbium, Tantal, Germanium oder Yttrium. Er öffnet den Schraubverschluss eines kleinen Plastikbehälters: "Das ist Gallium." Die silbrige Masse kostet pro Kilogramm 500 Euro. Gallium wird etwa in LED-Leuchten gebraucht. "Made in China" steht auf blauen Fässern in Regalen, in denen Seltene Erden wie Cerium und Lanthan als Oxyde lagern. In einer Holzkiste mit chinesischen Schriftzeichen sind Wismut-Platten verpackt. Wismut wird etwa in Medikamenten oder Kosmetika verwendet. Höchste Sauberkeit im Maassen-Lager ist oberstes Gebot. "Geringste Verunreinigungen machen die Metalle wertlos", erläutert Maassen. "Bei uns ist 99,99 Prozent Reinheit Standard."

Eine naheliegende Lösung des Nachschubproblems sieht Maassen im Recycling. Bisher würde Elektronikschrott wie Müll behandelt oder in andere Länder verschifft, vielfach nach China. Gebrauchte Handys oder Monitore sollten vielmehr in Deutschland recycelt werden, um die begehrten Metalle wieder zu gewinnen. "Wir müssen nur ordentlich recyceln, dann haben wir genug." (dpa) (ggo)