Bundesregierung will keinen Not-Ausschalter fürs Internet

Das Innen- und das Justizministerium erklärten, dass es in Berlin keine Pläne für einen "Kill Switch" fürs Netz gebe. Die Vorgänge in Ägypten demonstrierten das Missbrauchspotenzial. In den USA geht die Debatte über eine Zwangsabschaltung dagegen weiter.

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Die Bundesregierung hat keine Pläne, einen Ausschaltknopf fürs Internet zur Erwiderung auf Cyberangriffe zu schaffen. Dies erklärten Sprecher des Bundesinnenministeriums und des Justizressorts unisono gegenüber heise online. Zuvor hatte es in einem österreichischen Bericht geheißen, dass in der Alpenrepublik an einem "Kill Switch" fürs Netz gearbeitet werde und es auch im Bundeskanzleramt in Berlin sowie in Brüssel vergleichbare Überlegungen gebe. Das Wiener Bundeskanzleramt ruderte mittlerweile zurück: Gerade in Krisensituationen stehe zunächst die Aufrechterhaltung des Kommunikationsflusses im Zentrum der Bemühungen, hieß es bei der österreichischen Regierungseinrichtung. Ein zentraler Kill Switch stehe nicht zur Debatte. Die Abschaltung bestimmter Einrichtungen könne aber im Extremfall ein letztes Mittel darstellen.

Für die deutsche Bundesregierung stehe ein Schalter zum "Zwangsabschalten" des Netzes zum Schutz kritischer Infrastrukturen nicht auf der Agenda, betonte der Vertreter des Innenministeriums. Entsprechende Vorarbeiten auf EU-Ebene für eine übergreifende Regelung seien ebenfalls "hier nicht bekannt".

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ließ über ihren Sprecher zugleich durchblicken, dass sie die Möglichkeit eines "Notausschalters" für das Internet "für einen mehr als fragwürdigen Ansatz" hält. Die jüngsten Entwicklungen in Ägypten zeigten, dass Mechanismen, mit denen Kommunikationsmöglichkeiten im Internet durch staatlichen Zugriff beschnitten werden können, "ein ganz erhebliches Missbrauchspotenzial bergen". Die von großen Demonstrationen in die Bedrängnis gebrachte ägyptische Regierung hat in den vergangenen Tagen Provider des Landes angewiesen, Zugangs- und Routing-Dienste rund ums Netz einzustellen, und damit in kürzester Zeit den Großteil des Landes in die Offline-Welt bugsiert.

In Deutschland gibt es allerdings einige Überlegungen und Vorkehrungen, um zumindest Mobilfunknetze im Gefahrenfall abschalten beziehungsweise stören zu können. So ist etwa im vor wenigen Tagen beschlossenen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes von Rheinland-Pfalz festgehalten, dass die Polizei in besonderen Gefahrenlagen Mobilfunkverbindungen unterbrechen oder verhindern kann.

In den USA gibt es im Senat einen erneuten Anlauf, um dem US-Präsidenten beziehungsweise einer ihm unterstellten Behörde zum Schutz kritischer Infrastrukturen einen "Roten Knopf" fürs Internet an die Hand zu geben. Die Regierung soll dabei für Entscheidungen im Rahmen des Entwurfs für einen "Protecting Cyberspace as a National Asset Act" von Haftungsfragen freigesprochen werden. Der Notfallcharakter fürs Netz wird zudem nur schwammig definiert. So weit wie in Ägypten würden die Notstandbefugnisse aber nicht gehen, meinten Unterstützer der interfraktionellen Initiative, zu denen unter anderem die republikanische Senatorin Susan Collins und der frühere Demokrat Joseph Liebermann gehören. Erste Vorstöße für einen entsprechenden Notausschalter fürs Netz hatte US-Präsident Barack Obama abgelehnt.

Auch der neue Vorstoß stößt nicht zuletzt wegen der aktuellen Netzverdunkelung in Ägypten bei US-Bürgerrechtlern auf schwere Bedenken. Der Fall unterstreiche die Gefahren einer zu großen Macht über die Internetinfrastruktur in Regierungshänden, bemängelte die Electronic Frontier Foundation (EFF). Entsprechende Kompetenzen zur Beeinflussung von Providern stellten große Gefahren für die Demokratie dar. Die EFF hatte bereits im vergangenen Jahr gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie American Civil Liberties Union (ACLU), dem Center for Democracy & Technology (CDT) oder dem Cyber Privacy Project in einem offenen Brief (PDF-Datei) an Kongressmitglieder den damaligen Gesetzesentwurf scharf kritisiert. (jk)