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Die Zukunft der Smartcards ist NFC

Die "kontaktlose SIM" oder auch NFC-Smartcard ist der neue Smartcard-Trendsetter.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

In den vergangenen 20 Jahren hat sich bei den Smartcards viel getan. Von der Geldkarte über die SIM, von der UMTS IC Card (UICC) bis zu den Karten mit Flash-Speicher wurden auf den Smartcard-Workshops des Fraunhofer SIT regelmäßig neue Entwicklungen besprochen. Zum 21. Treffen wurde die "kontaktlose SIM" oder auch NFC-Smartcard zum neuen Trendsetter ausgerufen.

Geht es nach den Experten, schwappt bald eine Aufrüstungswelle über die Mobiltelefon-Landschaft. Geräte mit eingebautem NFC-Chip wie das Nexus S von Google sollen heiße Renner werden, andere Telefone mit microSD-Karten bekommen hybride Ergänzungen, bei denen neben dem Speicher noch ein NFC-Modul auf dem Chip integriert ist. Das Telefon bekommt so ein robuste Nahfunksystem, bei dem der Strom dafür sorgt, dass selbst in metallischen Umgebungen ein zuverlässiger Kommunikationskanal über 10 cm hinweg aufgebaut werden kann. Wie dies funktioniert, zeigte Klaus Finkenzeller von Giesecke & Devrient in Vorgriff auf den Mobile World Congress in Barcelona. Seine Produktstudien wurden durch einen Praxisbericht über das Projekt Nice Cityzi ergänzt, bei dem der von Veolia betriebene Nahverkehr der Lignes d'Azur auf ein kontaktloses Bezahlungsystem via NFC umgestellt wurde und etliche andere Firmen mit dem bargeldlosen Bezahlen von Kleinstbeträgen über Funk experimentierten.

Wie Jean-Marc Louis vom Projektbegleiter Oberthur Technologies erzählte, ist das Pilotprojekt, aus Nizza ein NFC-Nizza zu machen, so gut gelaufen, dass noch in diesem Jahr die Städte Bordeaux, Caen, Lille, Marseille, Rennes, Straßburg und Toulouse damit beginnen, auf NFC umzustellen. Auch Paris ist mit dabei, soll aber erst 2012 NFC-fiziert werden, genau wie die Zahlstellen der Autobahnbetreiber. Anders als bei dem Pilot-Projekt Touch&Travel der Deutschen Bahn arbeitet Nice Cityzi mit einer Art Fahrkartenstapel, der aufgeladen und dann abgefahren wird. Durch die Stückelung in Kleinstbeträge, die wiederum von Visa ("Paywave") und Mastercard ("Paypass") über ein Bankkonto eingezogen werden, ist auch der umgekehrte Weg möglich. Statt Bonusmeilen und ähnlichen Rabatten können in Nizza Unternehmen Belohnungen für die Kundentreue auf das Mobiltelefon übertragen.

Über 90 Prozent der 3000 Testkandidaten wollen einer Befragung zufolge das System weiter nutzen und 95 Prozent würden es gar in der Verwandschaft empfehlen. Allerdings gibt es doch Zurückhaltung, was die Zahlungsfunktionen anbelangt: nur 75 Prozent seien bereit, ganz auf die Nutzung von Kreditkarten und Bankkarten zu verzichten. Nach Ansicht von Louis wird sich so das NFC-fähige als eine Art Kleingeld-Kreditkarte akzeptieren. Ob sich dies auf Deutschland übertragen lässt, ist fraglich. Auf dem Digital,Life, Design-Kongress in München hatte René Schuster von Telefónica O2 Deutschland verkündet, dass dank NFC die Kreditkarte spätestens 2013 ausgestorben sein wird.

Nicht nur Menschen werden mit ihren Mobiltelefonen vom NFC-Trend profitieren, auch die Maschinen sind mit dabei. Wie jean Pierre Delesse vom Eurosmart-Konsortium in Darmstadt erklärte, wird die Maschine-zu-Maschine (M2M) Kommunikation dank der Miniaturisierung von NFC und Zigbee im großen Stil eingeführt, wobei die Telematik in der Autoindustrie die Fühungsrolle übernehmen wird, gefolgt von Abrechnungssystemen im Transportsektor. Neben dem Personenverkehr sollen es vor allem die Mautsysteme Europas sein, die den Durchbruch bringen. In den nächsten fünf Jahren könnten 60 Milliarden Maschinen mit entsprechenden Funksystemen ausgestattet sein. Als größtes Hindernis für den Erfolg von M2M bezeichnete Delasse die unterschiedlichen Einstellungen der Europäer zur Privatsphäre. Bewusste Konsumenten und verantwortliche Behörden müssten eingebunden werden, damit der "offene mobile Lebensstil von Menschen und Maschinen" nicht zum gläsernen Mobilisten führt. (jo)