MPEG will gebührenfreien Webvideo-Codec entwickeln

Während H.264 und WebM um die Vorherrschaft im Web kämpfen, will die Moving Picture Experts Group (MPEG) der International Organisation of Standards (ISO) einen eigenen gebührenfreien Webvideo-Codec ins Leben rufen.

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Von
  • Volker Zota

Seitdem Google im vergangenen Jahr den von On2 Technologies übernommenen Video-Codec VP8 unter Open-Source-Lizenz stellte und das Open Web Media Project (WebM) gründete, liefern sich die Verfechter des von der MPEG gemeinsam mit ITU-T entwickelten Industriestandards MPEG-4 AVC (H.264) einen Schlagabtausch mit der Open-Source-Szene. Firefox, Opera und Googles Chrome unterstützen nur WebM (und Ogg Theora), um Inhalte über das mit HTML5 eingeführte <video>-Element abzuspielen; H.264 hatte Google erst jüngst aus seinem Browser gestrichen. Apples Safari unterstützt indes ohne Plug-ins nur H.264 und auch der kommende Internet Explorer 9 spielt von Haus aus zunächst nur H.264. Allerdings soll der Microsoft-Browser auch grundsätzlich WebM nutzen können; allerdings äußerte Microsoft Patentbedenken gegenüber VP8. Schließlich machte der H.264-Lizenzverwalter MPEG LA vor einigen Tagen seine Drohung wahr und sammelt nun offiziell Patentansprüche gegen WebM.

Abseits des Patent-Hickhacks trafen sich die Mitglieder der MPEG Ende Januar in Daegu (Korea), um ihre weiteren Projekte zu koordinieren. Dabei ging es nicht nur um effizientere Kodierung von 3D-Inhalten und visuelle Suchmethoden, sondern auch um eine für März vorgesehene Ausschreibung ("Call for Proposals") eines "Type-1 Video Coding Standard" für das Internet. "Type-1" bezieht sich dabei auf das ISO-Lizenzmodell, das eine gebührenfreie Nutzung vorsieht. Ziel des Kompressionsverfahren soll eine "deutlich bessere Kodierleistung als MPEG-2 auf dem Niveau des H.264 Baseline Profile" sein; weitere Details sind bisher nicht bekannt.

Bei den Diskussionen um einen Webvideo-Standard forderten die Open-Source-Verfechter die H.264-Patentinhaber bereits mehrfach auf, das Baseline-Profil freizugeben; statt auf diese Forderung einzugehen, zogen diese es jedoch vor, die Lizenzkosten für freies Internet-Streaming von H.264-kodierten Inhalten dauerhaft auszusetzen. Möglicherweise bestand die Befürchtung, bei Verzicht des Patentschutzes für das Baseline Profile bereits zu viel aus der Hand zu geben, um das Lizenzmodell für die komplexeren H.264-Profile zu sichern.

Man darf gespannt sein, mit welcher Begeisterung sich die MPEG-Mitglieder an den Vorschlägen für den neuen Codec beteiligen. Sie sind sich zwar des Webvideo-Problems bewusst, viele sind jedoch in die H.264-Entwicklung involviert und vermutlich nicht gerade erpicht darauf, eine gebührenfreie Alternative zu entwickeln, die – damit sie beispielsweise bei Mozilla auf offene Ohren stößt – noch dazu unter einer akzeptierten Open-Source-Lizenz veröffentlicht werden müsste. (vza)