Biosprit aus Kohlendioxid

Genmanipulierte Mikroben verwandeln den Klimakiller CO2 mithilfe der Sonne in Ethanol. Eine Lösung für Ölknappheit und Klimawandel?

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Von
  • Susanne Donner
Inhaltsverzeichnis

Genmanipulierte Mikroben verwandeln den Klimakiller CO2 mithilfe der Sonne in Ethanol. Eine Lösung für Ölknappheit und Klimawandel?

Dirk Radzinski schreitet über das Dach der Firma Cyano Biofuels. Die Sonne bescheint sein winterblasses Gesicht und – das ist dem 39-jährigen Manager viel wichtiger – ist seine wertvollste Mitarbeiterin. Denn bei dem Berliner Unternehmen stellen Bakterien Biosprit her – nur aus Sonnenlicht und Kohlendioxid. "So soll unsere Anlage einmal aussehen", sagt Radzinski und bleibt vor einer drei Meter langen und einen Meter breiten Röhre aus Plastikfolie stehen. Sie ähnelt einem überdimensionalen Bratschlauch. Die Hülle gibt einen verschwommenen Blick auf eine graugrüne Brühe frei – eine Nährlösung mit sogenannten Cyanobakterien, die vier Stockwerke über Berlin im Technologiepark Adlershof CO2 in Bioethanol umwandeln.

Den algenähnlichen Einzellern steht vielleicht eine große Zukunft bevor: Die mexikanische Firma BioFields hat für mehr als 100 Millionen US-Dollar eine Lizenz von Cyano Biofuels erworben und laut Radzinski auf der Halbinsel Baja California bereits ein Gelände von 40000 Hektar gekauft, halb so groß wie Berlin. In drei bis fünf Jahren sollen in noch viel größeren "Bratschläuchen" knapp vier Milliarden Liter Biosprit pro Jahr geerntet werden. Das ist ein Zehntel des deutschen Verbrauchs, wie die Daten des Statistischen Bundesamtes belegen.

"Wenn die Produktion im großen Stil funktioniert, sind wir der Ölmagnat von morgen", frohlockt Radzinski. Damit hätte das Unternehmen gleich zwei drängende Probleme in Angriff genommen: Ölknappheit und Klimawandel. Denn für den Kraftstoff wird statt Öl nur der Klimaschädling Kohlendioxid und Sonnenlicht benötigt. Das wäre eine sagenhaft saubere Ener-giewende. Die kohlendioxidverbrauchende Spritproduktion könnte dabei mit anderen klimaschonenden Energietechnologien kooperieren. Etwa indem sie das Kohlendioxid verarbeitet, das aus Kohlekraftwerken künftig abgetrennt werden soll, damit es nicht in die Atmosphäre entweicht.

Bisher wird Bioethanol aus Mais, Zuckerrohr oder -rüben gewonnen. Weil nahezu alle Industrienationen, allen voran die USA und die EU, Biokraftstoffe massiv subventionieren, brummt der Handel. Doch "bio" sind Biokraftstoffe nicht, kritisieren die Umweltverbände WWF und Greenpeace seit Langem. Regenwald wird für die Gewinnung von Feldern niedergebrannt; Monokulturen, Überdüngung und Pflanzenschutzmittel schädigen die artenreichen Ökosysteme in Südamerika und Südostasien. Außerdem konkurriert der Biosprit mit der Nahrung um die Äcker und gefährdet damit die Lebensmittelversorgung gerade in armen Ländern. Beispielsweise ist Zucker knapp geworden, seit er nicht mehr nur von einer wachsenden Erdbevölkerung verzehrt, sondern zu Bioethanol vergoren auch verfahren wird.

Das ethisch-ökologische Dilemma sollen Biokraftstoffe der zweiten Generation lösen. Dazu zählt unter anderem das Konzept von Cyano Biofuels und seiner Konkurrenten, Bakterien zu Kraftstofffabriken umzurüsten und sie mit Treibhausgas zu füttern.

Doch die geniale Idee hat einen Haken: "Kohlendioxid ist ein toter Hund, vollkommen energieleer", erklärt Dieter Sell, Algenbiotechnologe beim Verband der Chemischen Industrie in Frankfurt. "Den muss man mit viel Energie auf ein höheres Niveau hieven, wenn man Wertstoffe daraus gewinnen will." Deshalb verarbeitet die Chemie- und Biotechindustrie bisher weniger als ein Prozent des weltweit emittierten Kohlendioxids.

100 Millionen Euro gab das Bundesforschungsministerium im Juli 2009 frei, um das Kohlendioxid-Recycling doch noch rentabel zu machen. Denn in der Natur wird das lahme Treibhausgas bereits seit über 2,5 Milliarden Jahren äußerst effektiv in energiehaltige Stoffe umgewandelt. Via Fotosynthese entstehen in höheren Pflanzen und Phytoplankton wertvolle Öle, Zucker und Eiweiße.

Das Erfolgsrezept hat Ingenieure inspiriert. Alle deutschen Stromkonzerne experimentieren bereits mit Algen, denen sie Kohlendioxid aus dem Kraftwerk zum Fressen reichen. Das lässt die kleinen Organismen wachsen, die dann als Biomasse in einer Biogasanlage zu Erdgas vergoren werden. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, sie unter Luftmangel in einem Vergasungsprozess zu erhitzen, wobei ebenfalls ein Kraftstoff entsteht. Aus der Algenernte kann zudem das enthaltene Fett ausgepresst und zu Diesel verarbeitet werden.