IBM-Supercomputer gewinnt Quizshow

Seit etlichen Jahren arbeiten Wissenschaftler daran, sogenanntes Weltwissen künstlich zu modellieren, lange Zeit ohne Erfolg. Mit Watson hat IBM nun einen Etappensieg erzielt.

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Am Abend des 16. Februar musste die Menschheit im Kampf gegen die Maschinen eine herbe Niederlage hinnehmen. Der IBM-Supercomputer Watson trat gegen die Jeopardy-Champions Ken Jennings und Brad Rutter an – und gewann. An drei aufeinanderfolgenden Abenden konnten Fernsehzuschauer das Spektakel verfolgen. Watson hatte es nicht leicht: Jennings blickt auf 74 Siege in Reihe zurück, Rutter kann die größte je bei Jeopardy erzielte Gewinnsumme von über 3,2 Millionen US-Dollar vorweisen.

Am Ende der Vorrunde des ersten von zwei Spielen am 14. Februar lagen Watson und Rutter bei 5000 US-Dollar gleich auf. Am Ende der zweiten Ausstrahlung schließlich gewann Watson das erste Spiel deutlich mit einer Summe von 35.734 US-Dollar gegenüber 10.400 Dollar für Rutter und 4800 Dollar für Jennings. In der dritten und letzten Partie brachte der Rechner es am Mittwochabend (Ortszeit) vor der Endrunde auf 23.440 Dollar, obwohl der Computer keine Ahnung hatte, dass Slowenien in der EU ist. Letztlich erspielte Watson eine Gesamtsumme von 77.147 US-Dollar (Videos siehe unten).

In der ersten Endrunde war eine US-Stadt gefragt, die ihre Flughäfen nach einem Veteran und einer Schlacht im Zweiten Weltkrieg benannte. Watson antwortete sichtlich verwirrt und grundfalsch: "Was ist Toronto???" Dennoch reichte nach vorsichtigem Einsatz die erspielte Summe zum Sieg, denn zuvor hatte er erstaunlich viele Fragen schnell und korrekt beantwortet. Dass Watson genau über seinen Wetteinsatz nachdachte, bewies er bereits vorher im "Daily Double", wo der Kandidat seinen Einsatz selbst festlegt. Besser hätte der Androide Data aus Star Trek nicht antworten können:

Trebek: "Was möchten Sie setzen?"
Watson: "Ich setze 6435 Dollar."
Trebek: "Ich frage gar nicht erst."

Der nach zwei ehemaligen Präsidenten von IBM benannte Computer des Watson Research Center antwortete zwar in natürlicher Sprache, kann sie jedoch nicht verstehen. Die Quiz-Anfragen bekam die Maschine als Text übermittelt, als sie auch den menschlichen Kandidaten vorgelesen wurden. Danach suchte sie im Archiv nach Wörtern, die mit der Anfrage in Verbindung stehen, wählt 50 bis 60 Informationseinheiten aus und erstellte aus maximal 200 Hypothesen ein Ranking.

Dabei griff Watson auf ein Lernmodul zurück. In einigen Fragen ging es um Geografie, in anderen war das Datum wichtig, bei dritten handelte es sich um ein Wortspiel. Anhand zehntausender Jeopardy-Fragen ermittelte Watson, welche Algorithmen welche Sorten von Fragen am besten beantworten. Die Top-3-Antworten gab das System am Bildschirm aus. Überschritt die Top-Antwort einen gewissen Schwellenwert, drückte Watson per Roboter-Arm auf den Buzzer und antwortete.

Über 1000 Algorithmen konkurrieren in Watsons Eingeweiden um die richtige Antwort und beginnen gleichzeitig zu feuern, wenn die Anfrage vorliegt – Parallelisierung ist in dem Projekt ein großes Thema. "Watson vollführt eine Art Diagnose, weil er sagt: Gib mir dein Problem, ich werde es in seiner ganzen Komplexität analysieren, eine ganze Menge Antworten generieren und dann nach Hinweisen suchen, um dir die plausibelste Antwort zu präsentieren", sagt David Ferrucci, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei IBM und Leiter des Projekts im Interview mit Technology Review. Das vollständige Interview erscheint in TR 3/2011 am 24. Februar.

Vor drei Jahren hatte IBM die Idee, Watson gegen Menschen in Jeopardy antreten zu lassen. Dabei war klar, dass es deutlich schwieriger werden würde, auf natürlichsprachliche Fragen zu antworten, als gegen einen Schachgroßmeister zu gewinnen, wie im Mai 1997 geschehen, als IBMs Deep Blue den Schachweltmeister Kasparow schlug.

Watson besteht aus zehn kühlschrankgroßen Server-Racks, bestückt mit Power7-Servern. Insgesamt stehen ihm 2880 Prozessorkerne und 15 TByte RAM zur Verfügung. Internet-Zugang besitzt er nicht; IBM hat ihn aber unter anderem mit der Wikipedia und den letzten zehn Jahrgängen der New York Times gefüttert. "Von der Hardware her ist Watson sogar zehnmal stärker als Deep Blue. Doch im Vergleich zu Jeopardy ist Schach ein mathematisch leicht zu definierendes Spiel. Dort gibt es keine Doppeldeutigkeit, denn alles basiert auf einer begrenzten Anzahl von sehr präzisen Regeln", so Ferrucci.

Die vorgestellte "DeepQA" genannte Frage-Antwort-Technologie war auf die Quizshow ausgerichtet. Zukünftig soll das System unter anderem bei der medizinischen Diagnose helfen. Ein Einsatz ist außerdem überall dort denkbar, wo ständig nichtstrukturierte Daten hinzukommen und verarbeitete werden müssen. "Die Aggregation der Daten mit einer Antwort und damit verbunden einer Aussage zur Korrektheit, das ist das Ziel", sagt Michael Kiess vom IBM-Entwicklungszentrum in Böblingen.

Seit etlichen Jahren arbeiten Wissenschaftler daran, sogenanntes Weltwissen künstlich zu modellieren – lange Zeit ohne Erfolg. Mit Watson hat IBM nun einen Etappensieg erzielt. Vor einer Invasion intelligenter Roboter dürfte die Menschheit vorerst aber noch sicher sein. Auf der CeBIT wird eine kleinere, deutschsprachige Version von Watson auf dem IBM-Stand in Halle 2 interessierten Besuchern Rede und Antwort stehen.

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(akr)