Verfassungsbeschwerde gegen Websperren-Gesetz eingereicht

Am gestrigen Dienstag Abend haben vier Bürger wie angekündigt eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen das "Zugangserschwerungsgesetz" eingereicht.

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Von
  • Holger Bleich

Am gestrigen Dienstag Abend haben vier Bürger wie angekündigt eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen das "Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen" (kurz: Zugangserschwerungsgesetz, ZugErschwG) eingereicht. Dieses Gesetz verpflichtet Provider, den Zugang zu Webseiten zu blockieren, die auf einer Sperrliste des Bundeskriminalamts (BKA) stehen. Diese Liste soll Seiten enthalten, die kinderpornografische Inhalte zeigen. De facto kommt das Zugangserschwerungsgesetz allerdings derzeit nicht zum Einsatz, weil das Bundesinnenministerium per Erlass verhindert, dass das BKA die entsprechende Liste erstellt und verbreitet.

Die Beschwerde wird unter anderem von AK-Zensur-Aktivisten geführt. Sie reizten die gegebene Frist aus, denn das Gesetz war am 23. Februar 2010 in Kraft getreten und Beschwerden waren bis zu einem Jahr danach möglich. In der Begründung, die heise online vorliegt, bezweifeln Die Beschwerdeführer die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das ZugErschwG. Die geregelte Materie betreffe ausschließlich den Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts und falle damit in die Zuständigkeit der Bundesländer. Außerdem sei das Gesetzgebungsverfahren formal fehlerhaft gewesen.

Desweiteren verstoße das Gesetz nach Meinung der Beschwerdeführer gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es sei "in seiner konkreten Ausgestaltung nicht geeignet", tatsächlich "den Zugang zu Websites mit kinderpornografischen Inhalten zu erschwerden." Das ZugErschwG sei nicht erforderlich, weil "Löschen statt Sperren" funktioniere. Das Gesetz etabliere eine "Präventivzensur" und verstoße damit gegen das in Artikel 5 Grundgesetz verankerte Zensurverbot.

Ausgearbeitet und eingereicht haben die Beschwerde die beiden IT-Rechtsanwälte Thomas Stadler und Dominik Boecker. Stadler hält es für "besonders bedenklich, dass die Entscheidung darüber, ob statt anderen Maßnahmen eine Sperre von Internetseiten durchgeführt wird, einzelne Beamte des BKA fällen. Der Gesetzgeber überlässt zudem die Entscheidung über die Art der Sperren und damit die Tiefe des Grundrechtseingriffs der Privatwirtschaft, was ebenfalls gegen das Grundgesetz verstößt." Boecker betont, dass "bereits in der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages im November 2010 das Zugangserschwerungsgesetz von der deutlichen Mehrzahl der geladenen Sachverständigen als verfassungswidrig bezeichnet wurde".

Alvar Freude vom AK Zensur bedauert in einem Statement, dass „sich die Koalition immer noch nicht auf eine endgültige Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes verständigen konnte. Obwohl sich jüngst auch der CSU-Netzrat gegen Sperren ausgesprochen hat und die FDP-Fraktion sich schon seit 2009 für das Entfernen kinderpornographischer Webseiten einsetzt, beharren führende Politiker der CDU weiter auf den gefährlichen Internet-Sperren. Sollte die bisherige Aussetzung der Sperren auf Druck oder Weisung Einzelner aufgehoben werden, müssen diese verantworten, wenn die Sperrlisten als Wegweiser für Pädophile eingesetzt oder die Sperren auf andere Inhalte ausgedehnt werden.“ (hob)