Neue Forderungen nach Verbot von "Killerspielen"

Nach dem Amoklauf an einer Realschule in Emsdetten flammt der Streit wieder auf, ob so genannte Killerspiele Mitverursacher zunehmender Gewalt unter Jugendlichen sind und ob sie verboten werden sollen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Nach dem Amoklauf an einer Realschule in Emsdetten flammt der Streit wieder auf, ob so genannte Killerspiele Mitverursacher zunehmender Gewalt unter Jugendlichen sind und ob sie verboten werden sollen. Aus Rache hatte ein 18-Jähriger am Montag seine frühere Realschule überfallen und fünf Menschen angeschossen, bevor er sich selbst tötete. Insgesamt wurden 37 Menschen verletzt. Der 18-Jährige hatte laut Medienberichten bereits vor Jahren in einschlägigen Internetforen Gewaltakte angekündigt. Er galt als Waffennarr, der sich unter anderem für Kriegsspiele im Wald und für gewaltverherrlichende Computerspiele interessierte. Im Internet posierte er mit Gewehren und einer Maschinenpistole. Außerdem soll er über das Internet Waffen, Munition, Sprengstoffbestandteile und Zündschnüre gekauft haben.

Ein Sprecher des Familienministeriums erklärte gegenüber dem Hamburger Abendblatt, bis Ende 2007 solle beurteilt werden, ob das Jugendmedienschutzrecht in seiner aktuellen Fassung ausreichend sei. Bereits im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD war zu lesen, dass das Jugendmedienschutzrecht neu bewertet werden solle; auch ein Verbot von so genannten "Killerspielen" ist im Koalitionsvertrag vorgesehen. Noch im August hatte die Bundesregierung allerdings auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion erklärt, keine Notwendigkeit für gesetzliche Verschärfungen in Richtung eines Verbots von "Killerspielen" zu sehen.

Bereits am gestrigen Montag hatte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sich für ein Verbot gewaltverherrlichender Computerspiele ausgesprochen: "Ich bin sehr dafür, ein Verbot von Killerspielen in Betracht zu ziehen", sagte er der Netzeitung. Nicht jeder, der ein solches Spiel spiele, werde "automatisch zum Massenmörder", meinte Wiefelspütz aber gleichzeitig. Auch der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach unterstützte den Vorstoß von Wiefelspütz: "Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass der 18-jährige Täter sich über einen längeren Zeitraum und intensiv mit so genannten Killerspielen beschäftigt hat, müsste der Gesetzgeber nun endlich handeln."

Die Opposition im Deutschen Bundestag hingegen steht Forderungen nach Verboten von Computerspielen kritisch gegenüber. Die Grünen warnen davor, die "Schuld allein bei Computerspielen zu suchen". Die medienpolitische Sprecherin Grietje Bettin und der jugendpolitische Sprecher Kai Gehring erklärten, so werde "die nötige Debatte um einen Mangel an Medienkompetenz" verdeckt. "Wenn die Informationen zutreffen, dass der Täter gesellschaftlich isoliert war und seine Zeit hauptsächlich mit dem Spielen von Killerspielen verbracht hat, dann muss jetzt verstärkt eine Debatte um Förderung von Medienkompetenz und einer sinnvollen Computernutzung geführt werden", sagte Volker Beck, Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, laut dpa. Hier reiche die Forderung nach einem Verbot von Killerspielen nicht aus.

In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung betonte Thomas von Treichel, Pressesprecher der World Cyber Games: "Alles deutet darauf hin, dass der Täter krankhaft aggressiv und militaristisch war und seine Phantasien offen zur Schau trug. Er hat vielleicht auch mal Counter-Strike gespielt, aber er war keiner unserer Spieler. Denn in diesem Spiel geht es um Teamplay und Taktik, also um Besonnenheit, nicht um die Befriedigung persönlicher Aggressionen." Niemand könne sich etwa mit Counter-Strike auf eine grausame Tat vorbereiten: "Wir können solchen Leuten also nicht geben, was sie vielleicht suchen. Computerspiele sind Werkzeuge zur Kommunikation, nicht zur Feindschaft."

Bereits nach dem Amoklauf an einem Gymnasium in Erfurt 2002 gab es heftige Diskussionen über die Gefährdung von Jugendlichen und Kindern etwa durch Computerspiele und Internseiten. Damals hatte dies mit dazu geführt, das Jugendmedienschutzrecht zu verschärfen: Am 1. April 2003 traten die aktuellen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz (Jugendschutzgesetz,   JuSCHG, und Jugendmedienschutzstaatsvertrag,   JMStV) in Kraft. Nach dem Jugendschutzgesetz des Bundes müssen auch Computerspiele wie zuvor Kino- und Videofilme mit einer Altersfreigabe gekennzeichnet sein. Alle neuen Medien, auch Internetseiten, können zudem auf den Index gesetzt werden und Sperrungsverfügungen unterliegen. Erweitert und verschärft wurden außerdem die Verbote für schwer jugendgefährdende Medien. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder verpflichtet Anbieter von "Telemedien" unter anderem, Jugendschutzbeauftragte zu bestellen oder sich an eine Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle anzuschließen und lizenzierte Filterprogramme einzusetzen, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu pornografischen, aber auch allgemein "entwicklungsbeeinträchtigenden" Inhalten zu verwehren. Der Staat überwacht mithilfe der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) die Einhaltung der Regeln.

Siehe zu dem Thema auch:

(jk)