Kunterbunt und klitzeklein

Die größte Solar- und Brennstoffzellenmesse der Welt, die PV Expo in Tokio, zeigt in diesem Jahr neue Geschäftsmodelle für eine Branche im Umbruch.

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Von
  • Martin Kölling

Die größte Solar- und Brennstoffzellenmesse der Welt, die PV Expo in Tokio, zeigt in diesem Jahr einmal mehr interessante Technik – und neue Geschäftsmodelle für eine Branche im Umbruch.

Für Technology Review hat Howard Berke, Chef des US-Solarzellenherstellers Konarka, in Tokio auf der PV-Expo eine ganz besondere Überraschung parat. "Das hier ist eine Weltpremiere, das hat noch nicht einmal unser Vorstand gesehen", sagt Berke und zieht unter gut verpackten Prototypen sein Lieblingsstück hervor: ein neuartiges auf durchsichtige Folie gedrucktes Gitternetz, das eine der zwei Elektroden einer transparenten und flexiblen Polymersolarzelle darstellt. Das neue Produkt soll die Produktionskosten für die Elektrode um 80 bis 90 Prozent senken.

Der bahnbrechende Unterschied zu bisherigen Modellen ist das Material: Das bisher für leitende, transparente Elektroden eingesetzte Indiumzinnoxid, das vor allem in Flüssigkristallbildschirmen verbaut wird und sehr teuer ist, wurde durch preiswertes Nano-Silber ersetzt. Die Technik, das Silber auf den Nanometer genau auf Film zu drucken, würden vielleicht noch zwei oder drei weitere Firmen auf der Welt beherrschen, meint Berke stolz. "Aber wir können es auch für die industrielle Massenfertigung skalieren." Bereits in wenigen Monaten soll der 20 Zentimeter breite Prototyp in ein Meter Breite und mit vielen Metern pro Minute gedruckt werden können. Mittelfristig will Berke das Silber außerdem durch Kohlenstoff ersetzen.

Experten auf der Messe zeigten sich interessiert. Jiro Hattori, der sich für Sumitomo 3M mit Dünnschichttechnik auseinandersetzt, hält die Konarka-Idee für einen wichtigen Durchbruch: Er könnte der organischen Solarzelle den dringend benötigten Auftrieb geben. Besonders Architekten würden sich für die transparenten und in immer mehr Farben lieferbaren Solarzellen interessieren, weil sie in Fassaden großflächig in den Fenstern eingesetzt werden könnten, so Berke. Daher entwickelt seine Firma auch immer neue Farbtöne. Zusätzlich zu den bisherigen Farben Rot und Grün hat er Blau- und Stahltöne als Prototypen dabei.

Dabei zeigt sich einer der Trends der diesjährigen Messe: Solarzellen sind inzwischen so sehr zum Massenprodukt geworden, dass Firmen sich jetzt um die Schönheit der Module zu kümmern beginnen. Das japanische Unternehmen Eco Future beispielsweise hat Patente für farbige und bebilderte siliziumbasierte Solarzellen angemeldet. Bei ihnen wird das Reflexionsverhalten des Schutzfilms so verändert, dass die Zellen in anderen Farben als in Blau leuchten. Ein Einsatzgebiet sind Gebäudefassaden, die dann komplexe Bilder und Muster darstellen können. Ein anderes Beispiel sind leuchtende Türschilder, für die die Japaner Solarzellen, eine kleine handelsübliche wiederaufladbare Batterie und Leuchtdioden kombiniert haben.

Die Hersteller konventioneller Module beurteilen durchsichtige organischen Zellen allerdings noch skeptisch, weil deren Wirkungsgrad noch so gering sei. Derzeit liegt er bei dem Konarka-Produkt zwischen zwei bis drei Prozent, auf fünf Prozent hofft man mittelfristig. Konventionelle Solarzellen erreichen allerdings über 15 Prozent und werden ihren Vorsprung halten. Denn Farbe und Transparenz haben ihren Preis: Schließlich kann jedes reflektierte oder durchgelassene Photon nicht in Strom umgewandelt werden.

Trotzdem hofft die Branche auf die neuen Zellen. Denn ein weiterer wichtiger Trend auf der PV Expo war die Abwesenheit großer technischer Neuerungen bei konventionellen Solarzellen. "Der Markt ist gereift, wir sind jetzt in der Phase der Massenproduktion", sagt Yutaka Yamamoto, Chef der japanischen Landesgesellschaft des chinesischen Solargiganten Suntech Power. "Damit treten wir in eine neue Geschäftsära ein, den Verdrängungswettbewerb. Einige Firmen werden nicht überleben können."

Ab spätestens Ende 2011 werden voraussichtlich massive Überkapazitäten spürbar werden. Denn Experten rechnen damit, dass der Weltmarkt schrumpfen könnte – auch wegen potenzieller Einbrüche in Deutschland aufgrund veränderter politischer Bedingungen. Dann wird die unsichtbare Hand des Marktes nicht nur im Wildwuchs chinesischer Hersteller Firmen jäten, sondern auch unter Japans Großkonzernen wie Sharp, Kyocera oder Panasonic, der Sanyo gekauft hat, meint Yamamoto von Suntech.

Die japanischen Module seien zu teuer, um mithalten zu können, da Zellen wie Panels ausschließlich im teuren Inland hergestellt würden. Selbst Deutschlands größter Produzent Q-Cells produziere bereits in Asien. Als Absatzmarkt spielt die Region dagegen offenbar nur noch eine kleine Rolle. So ist Q-Cells in diesem Jahr nicht mehr mit einem eigenen Stand vertreten. Auch der übliche deutsche Gemeinschaftsstand wurde gestrichen.

Die dräuende Not lässt selbst chinesische Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren. Upsolar beispielsweise will der "Apple der Solarzellen" werden. Die Firma versucht sich an der Asset-Light-Strategie des Computerkonzerns, bei der das Unternehmen keine Produktionsanlagen besitzt, sondern nur das Produkt gestaltet, zusammen mit Herstellern entwickelt und dann unter seiner Marke verkauft. Experten zweifeln jedoch daran, dass das Geschäftsmodell in der Solarzellenindustrie funktioniert, weil im Design weniger Mehrwert geschaffen werden kann als in der Chip- oder Handy-Entwicklung.

Auf der gemeinsam mit der PV Expo stattfindenden Brennstoffzellenmesse FC Expo standen kleine transportable und große stationäre Brennstoffzellen im Mittelpunkt. Hier war auch ein deutscher Gemeinschaftsstand dabei. Das Unternehmen eZelleron stellte dort seine "Gasbatterie" vor, die aus Flüssiggas Strom gewinnen kann. Die Gasladung eines Feuerzeugs soll ausreichen, um ein iPhone aufzuladen. In zwei Jahren werden fertige Produkte auf den Markt kommen.

Die portable Brennstoffzelle des japanischen Herstellers Aquafairy kann man hingegen bereits ab April kaufen. Bei der zwei Zigarettenschachteln großen und 26.000 Yen (250 Euro) teuren Zelle, die als Notaggregat gedacht ist, wird eine kleine Kartusche mit metallisch gebundenem Wasserstoff eingesetzt und Wasser hinzugefügt. Der Wasserstoff wird durch die Feuchtigkeit freigesetzt und gibt im Minikraftwerk für drei Wattstunden Energie. Nicht viel, aber es reicht, um im Notfall das Handy aufzuladen. Auch ein zwei Würfel großes Kleinstkraftwerk ist erhältlich.

Ein anderer Trend sind die neuen Brennstoffzellen für den Hausgebrauch der japanischen Hersteller, die sich in ihrer Heimat gerade zu einem Massenmarkt entwickeln. Tokios Gasversorger stellt die neue Brennstoffzelle von Panasonic aus, deren Stellfläche mehr als halbiert und deren Wirkungsgrad auf über 40 Prozent angehoben wurde. Sie gewinnt Strom aus Erdgas. Der Widersacher JX Holdings, Japans größter Energie- und Ölkonzern, zeigt seine Lösung für Flüssiggas, das in den Haushalten des Landes weit verbreitet ist. Der Vorsitzende der JX Holdings, Shinji Nishio, zeigte sich gegenüber Technology Review sehr zuversichtlich: "Das Zeitalter der Brennstoffzelle wird früher beginnen, als viele Menschen glauben." In zwei bis drei Jahren werde der Markt vielleicht schon abheben. ()