Personalisiert verblödet

Im Internet soll heute alles möglichst genau an den Nutzer angepasst sein: Er darf nur das zu sehen bekommen, was ihn interessiert, vielleicht noch ergänzt mit Einstreuungen aus der persönlichen Peergroup. Dabei wäre ein Blick über den Tellerrand nicht nur intellektuell erquickend.

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Im Internet soll heute alles möglichst genau an den Nutzer angepasst sein: Er darf nur das zu sehen bekommen, was ihn interessiert, vielleicht noch ergänzt mit Einstreuungen aus der persönlichen Peergroup. Dabei wäre ein Blick über den Tellerrand nicht nur intellektuell erquickend.

Bei Facebook glaubt man, den Stein der Web-Weisen gefunden zu haben. Wenn es nach dem weltgrößten sozialen Netzwerk geht, sollen immer mehr externe Internet-Angebote den Mitgliedern automatisch personalisierte Inhalte liefern – basierend auf all den schönen Angaben, die die Nutzer bei dem Web-2.0-Dienst so hinterlassen. Hinzu kommt dann noch ein wenig Content, der sich aus der persönlichen Peergroup speist: War Freund A an Produkt B interessiert, müsste das ja vielleicht passen.

Nicht nur Facebook bastelt an solcherlei zielgerichteten Sozialmedienkonzepten, auch Google ist auf den Zug aufgesprungen, will etwa seine lokale Suche derart gestalten. Ergebnis ist, dass man letztlich wirklich nur das sieht, was zu einem passt. Das klingt, wenn die Algorithmen erst einmal fein genug sind, eigentlich gut, wird einem doch scheinbar jeder Wunsch von den Augen abgelesen.

Das Problem ist nur, dass die perfekte Technik das Zeug hat, jeden Moment des glücklichen Zufalls bei der Inhaltsentdeckung zu unterdrücken. Wenn die Website meiner Lieblingszeitung weiß, dass ich nur Sport und Lokales sehen will, werden mir eben die Bundespolitik und die Kultur nicht oder nur eingeschränkt angezeigt. Nutze ich eine Ortssuchmaschine, die meinen Freundeskreis kennt, werde ich nie auf jenes Restaurant kommen, das bislang fernab meines persönlichen Geschmacks (und dem meiner Peers) lag.

Natürlich, Personalisierung hat auch viele Vorteile und es kann schon prima sein, Empfehlungen von Freunden zu bekommen. Doch wenn man sich nur auf solche Dinge verlässt und den Rest der Menschheit ignoriert, geht alles, was über den eigenen Tellerrand hinaus geht, verloren. Da sich in Peergroups häufig ein "Groupthink" etabliert, ist auch aus dem Freundeskreis kaum Abhilfe zu erwarten.

Der Web-Aktivist Eli Pariser meint gar, dass uns Personalisierung auf Dauer dümmer macht. Er nennt das Problem eine "Filterblase" und schreibt dazu gerade ein Buch, in dem es darum geht, was das Internet mittlerweile alles vor uns versteckt. Da müsste doch auch ein vernünftiger Mittelweg drin sein? (bsc)