Microsoft sammelt Punkte im Patentstreit um Browser-Plug-ins

Nach Auffassung des Berufungsgerichts gab der Richter des Bezirksgerichts, das den Software-Multi zu einer Strafzahlung von mehr als 500 Millionen US-Dollar verurteilte, den Geschworenen nicht die Chance, wichtige Prior-Art-Informationen zu prüfen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Zum Auftakt des Berufungsverfahren wegen angeblicher Patentrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Einbetten und Anzeigen von Plug-ins und Applets in Web-Seiten konnte Microsoft am gestrigen Donnerstag zumindest einen Teilerfolg erzielen. Die Richter des United States Court of Appeals for the Federal Circuit in Washington kamen nach einer 40-minütigen Anhörung zu dem Ergebnis, dass das Bezirksgericht in Chicago den Geschworenen mehr Informationen zur Beurteilung des damaligen Stands der Technik (Prior Art) hätte zugestehen sollen.

Das Gericht in Chicago hatte den Software-Multi im August 2003 zu einer Strafzahlung von 521 Millionen US-Dollar verurteilt, weil Microsoft ein entsprechendes Plug-in-Patent der University of California und deren späteres Spin-off Eolas Technologies verletzt haben soll. Später wurde die Geldstrafe auf 565 Millionen US-Dollar erhöht. Zudem wurde der Software-Multi aufgefordert, Funktionen des Internet Explorer zu ändern, die das Eolas-Patent verletzen.

Schon auf Bezirksgerichtsebene hatte Microsoft vorgebracht, die Einbettung von interaktiv ausführbarem Programmcode in Web-Dokumente sei bereits mit dem von Perry Pei-Yuan Wei entwickelten Web-Browser Viola im Dezember 1992 Standard gewesen. Vor dem Gericht in Chicago war der Viola-Browser auf Anordnung des vorsitzenden Richters als Beweismittel aber nicht zugelassen worden. Nach der Prior-Art-Regelung ist ein Patent ungültig, wenn vor seiner Einreichung beim Patentamt die beschriebenen Techniken bereits anderweitig genutzt wurden.

"Der Punkt ist, dass der vorsitzende Richter des Bezirksgerichts den Geschworenen nicht die Chance gab, diese Prior-Art-Informationen zu prüfen", sagte Richter Randall Rader. Der Rechtsanwalt von Eolas Technologies, Martin Lueck, argumentierte hingegen damit, dass die von Wei entwickelte Technik Anfang der 90er-Jahre lediglich auf einem Stand-Alone-Rechner ohne Internet-Anbindung gezeigt worden war. Bei späteren Demonstrationen habe Wei sogar ganz auf die Plug-in-Einbettung verzichtet. "Wenn Sie ein bestimmtes Merkmal in eine Software integrieren, dieses aber niemandem zeigen, und das besondere Merkmal auch später nie mehr nutzen, dann überlassen Sie das Feld anderen", sagte Lueck.

Der Gründer und Inhaber von Eolas Technologies, Michael Doyle, gibt an, er habe die Plug-in-Technik 1993 zusammen mit zwei Mitarbeitern an der University of California (UC) in San Francisco entwickelt. Im Oktober 1994 hatte die Universität Patentschutz dafür beantragt, der 1998 gewährt wurde. Später wurde das Patent an das UC-Spin-off Eolas Technologies übertragen. Das US-Marken- und Patentamt kam nach einer erneuten Prüfung im Frühjahr dieses Jahres allerdings zu dem Schluss, das Patent hätte wegen Prior Art, die durch die HTML-Definitionen gegeben sei, erst gar nicht zugeteilt werden dürfen, und hob das Patent vorläufig auf.

Skeptischer beurteilte das Berufungsgericht hingegen Microsofts Einwände, die vom Bezirksgericht in Chicago festgesetzte Strafzahlung hätte nur auf der Grundlage von in den Vereinigten Staaten erzielten Umsätzen mit Windows-IE-Produkten berechnet werden dürfen, weil es sich -- wenn überhaupt -- um die Verletzung eines US-Patents handele. Würde das Gericht dieser Auffassung folgen, dürfte sich die Schadenersatzzahlung an Eolas auf 100 bis 200 Millionen US-Dollar reduzieren. Die Richter formulierten allerdings in Richtung Microsoft, dass man keinen zwingenden Grund erkennen könne, warum durch Patentrecht geschützte immaterielle Güter anders zu bewerten seien als materielle Güter. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts wird für kommendes Jahr erwartet. (pmz)