Julian Assange: Al Jazeera und Wikileaks haben die Jasmin-Revolution gefördert

"Es ist keine Technologie, die die Freiheit der Rede befördert, sondern die größte Spionage-Maschine, die jemals gebaut wurde", merkte der Wikileaks-Gründer auf einem Vortrag in Cambridge zur allgemeinen Rolle des Internets an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 80 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

In einer nichtöffentlichen Rede vor einer Studentenvereinigung in Cambridge hat der Wikileaks-Gründer Julian Assange über die Rolle seiner Organisation in den maghrebinischen Gebieten gesprochen. Vor 700 Zuhörern erklärte der Australier, dass Wikileaks und Al Jazeera die Jasmin-Revolution möglich gemacht haben, nicht die US-Firmen Facebook und Twitter. Assange verglich ferner die "finanzielle Zensur", die die US-Regierung mit Druck auf Firmen wie Paypal und der Bank of America ausübt, mit der Zensur in der ehemaligen Sowjetunion.

Nach dem Bericht der Studentenzeitung Varsity wurde der einstündige Auftritt von Assange in der Cambridge Union Society von acht Sicherheitskräften überwacht, die jeden Versuch unterbanden, die Rede aufzunehmen oder Sätze Assanges zu twittern. Dies wurde damit begründet, dass ein Presserummel unerwünscht sei. Mit seiner Rede reagierte Assange auf Äußerungen des US-Präsidenten Barak Obama und seiner Außenministerin Hilary Clinton, die beide die Rolle von Facebook und Twitter für die Veränderungen im Nahen Osten betont hatten. Assange konzedierte, dass beide Firmen im arabischen Frühling zwar eine Rolle spielten, wies aber auf die ungleich wichtigere Rolle hin, die der Fernsehsender Al Jazeera mit seiner Live-Berichterstattung gespielt habe. Auch Wikileaks sei wichtig gewesen, weil Wikileaks Informationen verbreiten konnte, wie westliche Regierungen mit arabischen Staaten zusammenarbeiteten. Kritisch äußerte sich Assange zur allgemeinen Rolle des Internets: "Es ist keine Technologie, die die Freiheit der Rede befördert, sondern die größte Spionage-Maschine, die jemals gebaut wurde."

Assange, der sich in Großbritannien nur unter Auflagen bewegen darf, bis über seine endgültige Auslieferung an Schweden entschieden ist, begründete die schleppende Arbeit von Wikileaks mit der angespannten finanziellen Situation. Bedingt durch das Embargo amerikanischer Banken und Zahlungsdienstleister habe Wikileaks durch finanzielle Zensur rund 5,8 Millionen Euro verloren und könne nicht alle Dokumente in dem Ausmaß und Tempo veröffentlichen, in dem sie bei Wikileaks eintreffen.

Vor seinem Auftritt vor den Studenten in Cambridge hatte Assange per Einspieler einen Kurzauftritt im australischen Fernsehen anlässlich einer öffentlichen Diskussion mit der australischen Premierministerin Julia Gillard. Assange fragte Gillard, ob sie einen Verrat begangen habe und mit US-Behörden zusammenarbeite. Die Staatschefin entgegnete, sie wüsste überhaupt nicht, wovon er rede. Assange bezog sich auf die kurz zuvor beendete USA-Reise von Gillard und auf Papiere, die am 11. August vergangenen Jahres in der "Drop Box" von Wikileaks abgegeben worden waren. In ihnen soll ein australischer Geheimdienstler vor einer US-Aktion mit "schmutzigen Tricks" gegen Assange gewarnt haben. Bis heute hat Wikileaks diese Dokumente des australischen Whistleblowers nicht veröffentlicht. (jk)