TK-Branche wehrt sich gegen Speicherung von Verbindungsdaten auf Vorrat

Eine Vergleichsstudie des Bitkom hält den EU-Rahmenbeschluss zur Speicherung der Telekommunikations-Verkehrsdaten auf Vorrat für unverhältnismäßig und weit über das Ziel hinausschießend. Er würde die Wirtschaft zudem 150 Millionen Euro kosten.

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Eine internationale Vergleichsstudie des Branchenverbands Bitkom hält den geplanten EU-Rahmenbeschluss zur Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten für unverhältnismäßig und weit über das Ziel der verbesserten Verbrechensbekämpfung hinausschießend. "Der Bedarf ist zweifelhaft, der Nutzen kann nicht dargelegt werden und die Kosten sind bislang nicht dokumentiert", zählte Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder die Argumente gegen die pauschale Beschnüffelung der TK-Nutzer aus der Analyse auf -- Rohleder präsentierte die 70-seitige Studie am heutigen Dienstag in Berlin. Er sprach von einem "Schnellschuss, der sehr weit reicht." Bei der im EU-Rat vorgeschlagenen Vorratsdatenspeicherung geht es um sämtliche Verbindungsdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen.

Die Studie zeigt, dass selbst die Länder Frankreich, Irland, Großbritannien und Schweden, die den Stein im EU-Rat ins Rollen gebracht haben, von ihren TK-Unternehmen bislang nicht eine derart umfassende Datenspeicherung verlangen, wie sie jetzt auf alle Mitgliedsländer zukommen soll. Zudem werden laut Rohleder Verkehrsdaten, die älter als drei bis sechs Monate sind, kaum von den Ermittlern angefordert. Es handle sich dabei nur um fünf Prozent der Anfragen. Die Kostenbelastung gerade für die deutschen Telekommunikationsanbieter, die im Gegensatz zu Ländern wie Großbritannien bislang die angeforderten Daten nur in geringem Maße speichern und nicht für Marketingzwecke nutzen dürfen, sei dagegen immens hoch: Laut der Studie kommen allein an Investitionskosten auf die Wirtschaft hierzulande 150 Millionen Euro zu. Dazu rechnen die Experten laufende Betriebskosten in Höhe von 50 Millionen Euro. "Entschädigungsregelungen würden nur einen sehr kleinen Teil davon abdecken -- wenn sie denn kommen", meint Rohledder. Es gehe aber auch um den zu erwartenden Vertrauensverlust der Bürger in die Nutzung der Technik und sich daraus ableitende Umsatzeinbußen.

In der Studie werden der Stand und die Perspektiven der Vorratsdatenspeicherung in den Ländern Österreich, Schweden, Spanien, Frankreich, Niederlande, Italien, Großbritannien und USA miteinander verglichen. Demnach stellt die Vorratsdatenspeicherung bislang international einen bunten Flickenteppich dar. "Gesetzliche Verpflichtungen sind in den wenigsten Ländern implementiert", erklärte der Leiter der Untersuchung, Franz Büllingen von der wik-Consult GmbH. Eine Ausnahme bilde Spanien, wo es aber keine Verordnung für die Maßnahme gebe und diese daher auch nicht ausgeführt werde. Auch in Italien sei 2003 ein ähnliches Gesetz verabschiedet worden. Es läuft aber ebenfalls größtenteils leer, weil der Gesetzgeber die verlangten Datentypen nicht festgelegt hat. In Frankreich gibt es einen Gesetzesentwurf, der noch sehr umstritten ist. Großbritannien denkt laut Büllingen auch über eine gesetzliche Regelung nach. Dort gibt es aber bereits eine Selbstverpflichtung der Unternehmen zur Datenspeicherung. Der wik-Geschäftssführer betonte zudem, dass in den USA "komplett" auf eine Vorratsdatenspeicherung verzichtet wird.

Generell sieht Büllingen bei den zu speichernden Daten noch großen Abstimmungsbedarf. Denn die Liste, auf die sich der Beschluss beziehen soll, ist lang: Sie umfasst alle Daten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, Simsen, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen. Rein technisch gesehen ist es dem Forscher zufolge auch im Internet kein Problem, "die Daten zu bekommen und zu speichern." Alle über eine IP-Adresse generierten Kommunikationsvorgänge würden schon heute auch in Deutschland von vielen Providern "für drei bis vier Tage Daten gespeichert". Das dürften die Internetanbieter aber eigentlich nicht, sodass sie die Datenmengen "möglichst rasch wieder zu löschen versuchen". Büllingens Fazit: "Der Rahmenbeschluss geht weit über das hinaus, was im Moment an Daten in Europa erfasst wird." Zudem würden in allen untersuchten Ländern entscheidende Punkte wie die Wirksamkeit, Verhältnismäßigkeit, die Kosten und der Datenschutz "intensiv diskutiert".

Rohleder appellierte angesichts der Studieninhalte dringlich an die Politik, "Alternativen zu prüfen, bevor wir das Kind mit dem Bade ausschütten" Nachzudenken sei beispielsweise über das in den USA praktizierte Verfahren der "Data Preservation". Dabei werden bei bestimmten Verdachtsmomenten die Daten für einen bestimmten Anschluss gespeichert, was deutlich weniger aufwendig sei. Zudem sollten sich zunächst auch die Strafverfolgungsbehörden effizienter organisieren und ihre eigene Zusammenarbeit optimieren. Die Bundesregierung forderte Rohleder auf, in Brüssel ihr Veto gegen den Rahmenbeschluss einzulegen. (Stefan Krempl) / (jk)