Streit um Standards: IETF verweigert ITU Protokollnummer

Im Streit um Kompetenzen bei der Festlegung von Telekommunikationsstandards hat die IETF der ITU erneut ein Schäufelchen Sand an den Kopf geworfen.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Monika Ermert
  • Johannes Endres

Auf dem 80. Treffen der IETF in Prag wies der Chef der Entwicklerorganisation, Russ Housley, die Forderung der ITU auf Zuteilung einer Protokollnummer für das ITU-Protokoll MPLS OAM zurück. Aktuell nutzt die ITU eine lediglich für Tests zugewiesene Nummer, laut IETF ein Verstoß gegen die Satzung.

Im Fall von MPLS OAM fechten die beiden Organisationen einen grundsätzlichen Streit über ihre Kompetenzen bei der Standardisierung aus. Traditionell legt die Telekommunikationsbranche in der ITU ihre Standards fest, während die IETF für die Standards des Internets zuständig ist. So definierte die ITU ADSL als Technik für die Übertragung von Bits und um die oberen Protokollebenen wie PPPoE kümmerte sich die IETF. Doch durch die Konvergenz unterschiedlicher Netze, die sich in Techniken wie Voice-over-IP zeigt, überschneiden sich nun diese vorher sorgsam getrennten Technikfelder.

Die ITU wurde schon 1865 von europäischen Regierungen ins Leben gerufen; ihre Standards haben offiziellen Status und waren lange Zeit nur gegen Geld zu bekommen. Die IETF entstand über hundert Jahre später zusammen mit dem Internet und hat daher eher US-amerikanische Wurzeln in einer lose organisierten Entwicklergemeinde. Ihre RFCs sind grundsätzlich öffentlich.

Beim IETF-Treffen sagte die Entwicklerin Nurit Sprecher von Nokia Siemens Networks gegenüber heise online, die Begehrlichkeit der ITU reiche bis zu Kernstandards wie IPv6 und TCP/IP. Sie warnte eindringlich vor einem Kompromiss; zwei Standards führten zu Verwirrung und Mehraufwand. Sprecher hatte an der Sitzung der Studiengruppe 15 der ITU teilgenommen, während der in einer Kampfabstimmung die Verabschiedung eines eigenen Standards beschlossen wurde. Abstimmungen sind auch in der ITU bei der Verabschiedung von Standards völlig unüblich. Housley sagte: "Die IETF-Spitze betrachtet dies als Verletzung unserer Vereinbarung zur gemeinsamen Entwicklung."

Malcolm Betts vom chinesischen Hardware-Hersteller ZTE, der in Prag für die Vergabe einer Protokollnummer für die ITU-Variante warb, nannte in Prag "mangelnde Konvergenz" beider Organisationen bei der Arbeit an MPLS als Grund für die Entscheidung. Entweder seien die Standards nicht unterscheidbar, dann fehle es am Bedarf, konterte Sprecher, oder sie unterschieden sich und sorgten für Inkompabilitäten im Netz. (je)