Europarat: Netzfreiheit international absichern

Die jüngsten Ereignisse in Nordafrika und die Wikileaks-Affäre hätten gezeigt, wie leicht der Zugang zum Internet gestört werden kann, heißt es von der europäischen Vereinigung. Freie Meinungsäußerung und die Werte der Demokratie seien dadurch bedroht.

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Von
  • Monika Ermert

Der Ministerrat des Europarates soll sich für die Einhaltung fundamentaler Grundrechte, für Netzneutralität und die Wahrung der Interessen der Netzöffentlichkeit, und zwar grenzüberschreitend, aussprechen. Das schlägt eine Arbeitsgruppe des Europarates bei einer in Straßburg gestarteten Konferenz zum Thema "Freiheit im Internet – von einfachen Grundsätzen zum weltweiten Abkommen" vor. Regierungen sollen unter anderem bei Gesetzen, die die Grundrechte im Netz einschränken, die Auflagen des Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention wahren und mögliche Einschränkungen für Nutzer in Drittstaaten zu vermeiden.

Der Europarat ist eine institutionell nicht mit der EU verbundene Organisation mit 47 Mitgliedsstaaten, die zum Beispiel die Cybercrime-Konvention ausgearbeitet hat. Er wurde 1949 gegründet, um, so seine Selbstbeschreibung, "in ganz Europa gemeinsame und demokratische Prinzipien zu entwickeln. Grundlage hierfür sind die Europäische Konvention für Menschenrechte sowie andere Referenztexte zum Schutz des Einzelnen."

In der Ankündigung des Europarats zu der Konferenz heißt es nun, die jüngsten Ereignisse in Nordafrika und die Wikileaks-Affäre hätten gezeigt, wie leicht der Zugang zum Internet gestört werden kann. Dadurch würden die freie Meinungsäußerung und die Werte der Demokratie bedroht. Europarats-Vizegeneralsekretärin Maud de Boer-Buquicchio sprach vom Netz als einem "fragilen Ökosystem". "Wir können uns nicht hinsetzen und darauf warten, dass eine unsichtbare Hand dieses Ökosystem in ein Gleichgewicht bringt, und dabei wunderbarerweise unsere Bedürfnisse und Erwartungen erfüllt werden", sagte de Boer-Buquicchio. Um das Netz zu einem Ort maximaler Freiheit zu machen, müssten Regierungen international zusammenarbeiten.

Von einer verbindlichen Konvention – im Stil der Cybercrime-Konvention – steht allerdings vorerst nichts in den beiden vorbereiteten Grundsatzdokumenten des Europarates, zu denen noch bis Mai Stellungnahmen eingereicht werden können. Laut dem Bericht des zuständigen Komitees soll der Ministerrat, das oberste Beschlussgremium des Europarates, zunächst zwei Dokumente verabschieden:

Als erstes wäre eine Erklärung zur internationalen Zusammenarbeit bei Ressourcen, die kritisch für den Betrieb des Netzes sind. Ein Beispiel dafür ist das Domain Name System (DNS). Ganz offensichtlich hatte die Europaratsgruppe das Ringen um die unilaterale DNS-Aufsicht durch die USA durchaus im Auge und wirbt für eine Untermauerung der Beteiligung aller Interessensgruppen möglichst vieler Länder.

Zum zweiten soll es eine Empfehlung geben zu Rechten und Pflichten der Regierungen bei der Absicherung der Netzintegrität. Dazu gehören laut dem Entwurfstext der Ratsgruppe neben der Verpflichtung zur Schadensvermeidung für Drittstaaten unter anderem eine Notifizierungs-, Beistands- und Konsultationspflicht – insbesondere für Krisenfälle. Grundsätzlich sollten Bürger in Drittstaaten nicht durch eine rechtsstaatlich verabschiedete, nationale Filterpolitik in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung behindert werden. "Nebenwirkungen" nationaler Politik sollten vorab auf jeden Fall angezeigt werden.

Auch eine generelle Sicherungspflicht für den reibungslosen Datenverkehr hat die Arbeitsgruppe in ihre Entwurf aufgenommen. Dafür sollen Regierungen die Wirksamkeit der eigenen Politik zur Sicherung reibungsloser Datenströme überwachen. Weitergehende Vorschläge, die in Richtung Schadenersatzpflicht gingen, hatten im vergangenen Jahr für erhebliche Kritik gesorgt. Schadenersatzdrohungen gegen Hacker-Aktivitäten in einem Land könnten dazu führen, dass Regierungen mehr oder weniger bereitwillig Datenströme überwachen.

Eineinhalb Tage diskutieren Experten in Straßburg nun die neuen Textvorschläge. In der vergangenen Woche hatte EU-Kommissarin Neelie Kroes bei einer Konferenz der für Telekommunikation zuständigen Minister der EU-Mitgliedsstaaten zum Schutz kritischer Infrastrukturen den mangelnden Fortschritt in diesen Bereich bemängelt. Kroes unterstrich ihre Forderung nach der Einsatzbereitschaft von CERTs in allen Mitgliedsländern. Mit den USA hat die EU eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu Sicherheit im Cyberspace verabredet. (jk)