Regierungen könnten Einführung neuer Domains weiter verzögern

Nicht nur in den USA gibt es offenbar weiter Bedenken gegen die von der Netzverwaltung ICANN geplanten neuen Top-Level-Domains. Die für Juni angekündigte Verabschiedung der Bewerberrichtlinien droht zu platzen.

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Von
  • Monika Ermert

Mehrere US-Abgeordnete haben bei einer Anhörung des Unterausschusses für Geistiges Eigentum, Wettbewerb und Internet einen weiteren Aufschub für die Einführung neuer Top Level Domains (TLD) wie ".berlin", ".hotel" oder ".music" gefordert. Zuvor hatte die Netzverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) angekündigt, auf ihrer Sitzung am 20. Juni in Singapur die Bewerbungsregeln für neue TLD nach jahrelangen Beratungen verabschieden zu wollen.

Der US-Kongress hat in der Vergangenheit immer wieder versucht, Einfluss auf die Entscheidungen der ICANN zu nehmen. Auch wenn die Netzverwaltung seit dem vergangenen Jahr dem direkten Zugriff der US-Regierung entzogen ist, haben die USA noch die Oberaufsicht über die von der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) verwaltete zentrale Rootzone und könnte der ICANN die Zuständigkeit für den Betrieb der IANA entziehen. Larry Strickling, der als Chef der US-Telekom-Behörde NTIA auch die Aufsicht über die IANA führt, gab solchen Befürchtungen am Donnerstag neue Nahrung. Er betonte die Erwartung, die ICANN müsse den Bedenken der Regierungen Rechnung tragen, bevor es grünes Licht für die neuen TLD gebe können.

Und offenbar haben verschiedene Regierungen noch Vorbehalte. Auf dem Treffen der IP-Adressverwaltung RIPE in dieser Woche in Amsterdam hatte die schwedische Regierungsvertreterin Maria Häll von "offene Fragen" und "Bedenken auf Seiten der Regierungen" gesprochen. Die Vizepräsidentin des ICANN-Regierungsbeirates wollte keine Prognose abgeben, ob das Vergabeverfahren wie geplant in Singapur verabschiedet werden könne. Mit Stricklings Aussage vom Donnerstag allerdings dürfte klar sein, dass ohne die Zufriedenstellung des Regierungsbeirats nichts geht.

Auch bei der US-Anhörung am Mittwoch war sich die Mehrheit der Abgeordneten mit Vertretern von Markenrechtsverbänden und -organisationen weitgehend einig, dass die angekündigte Verabschiedung der Bewerberrichtlinien verschoben werden müsse. Die Markenrechtsvertreter verwiesen unter anderem auf die Kosten, die auf Markeninhaber für die vorsorgliche Registrierung neuer Domains zukommen. Diese würden mit der Einführung von 300 bis 400 neuer Domains auf bis zu 12 Millionen US-Dollar für einen kleinen Markeninhaber steigen. Die US-Abgeordneten stellten eine weitere Anhörung in Aussicht.

Wie der Vorstand der DNS-Selbstverwaltung auf das Störfeuer aus Washington reagiert, wird sich zeigen. Die Forderungen binden die ICANN nicht, und eine Abgeordnete warnte auch davor, dass die USA mit einem Alleingang andere Regierungen verärgern könne. Ärgern dürften sich bei einer weiteren Verzögerung auf jeden Fall die zahlreichen Bewerber für neue Domains, die schon lange auf den Startschuss warten.

Weitere Gespräche zwischen ICANN-Spitze und den Regierungen sind für Mitte des Monats (PDF Dokument) anberaumt. Offen sind laut Beobachtern neben den Markenrechtsfragen das von den Regierungen geforderte Frühwarnsystem für sensitive, und auch geographische Begriffe. Die US-Vertreterin im Regierungsbeirat, die sich in den vergangenen Monate gemeinsam mit ihrem britischen Kollegen besonders für die Markeninhaber stark gemacht hatte, dürfte bei den anstehenden Gesprächen auf die Forderungen der US-Abgeordneten verweisen. (vbr)