21C3: Nur das Chaos lebt

Auf dem 21. Chaos Communication Congress wollen die Hacker die Verbindung zwischen Technik und Moral wach halten und sich durch Benutzung der Maschinen vor diesen retten.

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Mit einer "kleinen Geschichte der Technikbegeisterung" eröffnete der Autor Peter Glaser heute Vormittag den 21. Chaos Communication Congress in Berlin. Am Beispiel der Raketenentwicklung in Deutschland vor und während des 2. Weltkriegs zeigte er auf, dass die Technik in Wissenschaft und Forschung meist allein zum Selbstzweck ernannt wird. Sie werde als "Kristallisation von Vernunft und Erfindungsgabe" gefeiert, während die Einsatzmöglichkeiten und Folgen unbedacht blieben. Die Verantwortung werde vielmehr auf die Maschine selbst übertragen, wie sich spätestens mit den "Kill-Boxes" auf den technologisierten Kriegsschauplätzen seit dem Golfkrieg gezeigt habe. Demgegenüber stellte es Glaser als Grundvoraussetzung des Hackens heraus, die Verbindung zwischen Technik und Moral nicht zu kappen.

Die "üblichen Verdächtigen" -- so das diesjährige Motto der größten regelmäßig stattfindenden europäischen Hackerparty -- mussten vor dem Berliner Congress Center lange Schlange stehen. 40 Euro kostet der Dreitagespass für das Treffen der "kreativ-schöpferischen" Techniknutzer. Jenseits der Verwirrung am Eingang bemüht sich der einladende Chaos Computer Club (CCC) dieses Jahr allerdings um eine bessere Organisation der Großveranstaltung.

Erstmals gibt es ein offizielles Weblog sowie ein öffentliches Wiki-System für den Chaotentreff. Besonderen Wert legt das Organisationsteam auf "Internationalität": Zwei Drittel der Vorträge sind in Englisch. "Es riecht professioneller", merkte ein langjähriger Congress-Besucher an. Ob sich das mittelfristig auch auf die maschinell gequirlte Luft im riesigen "Hackcenter" im Untergeschoss beziehen lässt, wird sich noch herausstellen.

Probleme gibt es derweil noch mit dem Netzwerk, einer der unersetzbaren Komponenten des Hackertreffens. Man habe zwar "zufällig" direkt am Heiligen Abend mehr Ausrüstung für die Netzkommunikation erhalten, als ursprünglich geplant, erläuterte Mitorganisator Tim Pritlove. Bis zu 1 GBit/s Upload sei möglich. Die Umgebung auf einem Hackerkongress sei aber "die feindlichste, die man sich vorstellen kann", entschuldigte Pritlove das bis zum Mittag noch nicht funktionierende WLAN und die teils mangelhafte Datenratenversorgung.

"Nur das Chaos lebt", bestätigte Glaser den CCC in seinem Kurs. Die größte Gefahr für die Menschheit sei die Ordnung, deren Vollendung in der Abschaffung des störenden Lebens und der Herrschaft der Maschinen liege. Doch es könne nicht die einzige Aufgabe des Menschen sein, als "Gewürz eine Spur Unordnung in den Kabelsalat zu bringen". Der literarische Althacker zitierte einen Aphorismus von Karl Krauss, dass es nur eine Möglichkeit gebe, sich vor der Maschine zu retten: sie zu benutzen. Glaser erinnerte an die lange und von der kritischen Denkweise der Aufklärung geprägte Tradition der Hacker, auf eine offene Teilnahme aller Interessierter an den Möglichkeiten der Technik und der Vernetzung zu drängen. Dazu gehöre auch der Kampf gegen Systeme zum Digital Rights Management (DRM), das Glaser mit "Entrechtungsmanagement" übersetzte. "Geht es nach dem Willen nach DRM-Falken, wird es ein Eigentumsrecht an digitalen Dateien überhaupt nicht geben", warnte er.

Neben dem eigentlichen Konferenzprogramm locken dieses Jahr zahlreiche Begleitveranstaltung wie die Meisterschaften im Lockpicking, dem nicht-destruktiven Weg zum Öffnen physikalischer Schlösser, und die erste Entwicklerkonferenz der internationalen Wikipedia-Gemeinde. (Stefan Krempl). (ad)