Provider schalten rechtsextreme Webseiten schneller ab

Jugendschutz.net hat 2005 insgesamt 370 Verstöße gegen Jugendschutz- und Strafrechtsbestimmungen festgestellt.

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Von
  • Monika Ermert

250 rechtsextreme Propagandaplattformen wurden im vergangenen Jahr auf Veranlassung der länderübergreifenden Stelle Jugendschutz.net geschlossen. Das teilt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit. Insgesamt 370 Verstöße gegen Jugendschutz- und Strafrechtsbestimmungen stellte Jugenschutz.net 2005 fest, heißt es im Abschlussbericht (PDF-Datei) des vom BMFSFJ in Auftrag gegebenen Projekts Entimon. Seit 2001 hat Jugendschutz.net laut eigenen Angaben die Schließung von rund 750 rechtsextremen Webangeboten veranlasst.

60 Prozent der 370 Verstöße registrierten die Rechercheure bei Jugendschutz.net im Ausland. In 301 Fällen fanden die Mitarbeiter einen Ansatzpunkt für ein Vergehen und 268-mal war man schließlich erfolgreich, 132-mal bei deutschen und 136-mal bei ausländischen Angeboten. Ministerium und Jugenschutz.net verweisen damit stolz auf eine Erfolgsquote von 89 Prozent (92 bei deutschen, 86 bei ausländischen Angeboten).

Friedemann Schindler, Leiter von Jugendschutz.net, das 2002 im Jugendmedienschutzstaatsvertrag verankert wurde, hob die Erfolgsquote bei ausländischen Angeboten besonders hervor. Er konstatiere deutlich mehr Bereitwilligkeit ausländischer Hoster und Internet-Service-Provider, auf Beschwerden von Jugendschutz.net zu reagieren. "Wir führen die größeren Erfolge im Ausland auf unsere verstärkte internationale Vernetzung zurück, etwa im Rahmen des INACH-Netzwerks, auf größere Erfahrung bei der Ansprache ausländischer Hostprovider und auf 'neue Verfahrensweisen', die Jugendschutz.net erfolgreich erprobt hat", erläutert Schindler gegenüber heise online. Man versuche inzwischen, jeden Diensteanbieter zu kontaktieren, auch wenn er nur entfernt mit absolut unzulässigen Angeboten in Verbindung stehe. So sei es etwa gelungen, strafbaren Angeboten die Plattform zu entziehen, die über dezidierte Neonazi-Hoster im Netz aktiv waren und die bisher als unangreifbar galten.

Der Entimon-Bericht registriert auch eine wachsende Professionalität rechtsextremer Seiten, die sich unter anderem durch Musikdownloads an jugendliche Nutzer wenden. 2005 habe man 1030 neue rechtsextreme Webadressen erfasst mit insgesamt 771 teilweise unter mehreren URLs verfügbaren Angeboten. 83 Prozent der "Neufälle" recherchierten die Jugendschutz.net-Mitarbeiter selbst über Gästebücher (42 Prozent), Link- respektive Toplisten (28 Prozent) und Suchmaschinen (5 Prozent). Insgesamt habe man sich mit 1968 rechtsextremen Webadressen befasst und 1466 -seiten. Den stärksten Zuwachs gebe es bei rechtsextremen Kameradschaften, Bands und Versandhändlern. "Von den 2005 dokumentierten Angeboten aus diesen Bereichen waren Ende des Jahres noch 72 Prozent erreichbar."

Einen gesonderten Bericht erstellte Jugendschutz.net im Auftrag des BMFSFJ zu Webangeboten der NPD. Kennzeichnend für die NPD-Seiten – insgesamt registrierte jugendschutz.net Online-Auftritte von 120 NPD-Verbänden – sei die Hetze gegen "'Etablierte', Ausländer und Juden". Bei den anstehenden Landtagswahlen in diesem Jahr sollen diese Seiten weiter beobachtet werden. Jugendschutz.net regt neben der weiteren mehrdimensionalen und pragmatischen Projektarbeit, die Aufklärungskampagnen, Handreichungen für Pädagogen und Ansätze wie einen "Medienkompetenzschein" zum Thema Rechtsextremismus im Internet beinhaltet, auch eine Erweiterung des Aufmerksamkeitsspektrums an. Künftig sollten auch Angebote stärker beobachtet werden, die "Alltagsrassismus präsentieren und unterhalb der Strafbarkeitsschwelle bleiben." Bei einer solchen Fokussierung wie auch bei den "neuen Methoden" kommt Jugendschutz.net seine juristisch nicht ganz unumstrittene Zwitterrolle zugute. Eine Behörde täte sich dabei schwerer. (Monika Ermert) / (anw)