"Virtuelles Schengen" sorgt weiter für Aufregung

Die EU-Bürgerrechtsorganisation EDRI hat Vorschläge der EU-Ratspräsidentschaft für einen "virtuellen Schengenraum" veröffentlicht. Demnach sollen Internet Service Provider die Grenzbeamten für den europäischen Cyberspace geben.

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Von
  • Monika Ermert

Die Veröffentlichung der Vorschläge der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft für einen "virtuellen Schengenraum" durch die EU-Bürgerrechts-Dachorganisation EDRI hat die Diskussion über Websperren genährt. In dem achtseitigen Papier, dessen Veröffentlichung das EDRI-Mitglied "Article 19" erwirkt hatte, wird ein Konzept vorgestellt, nach dem Internet Service Provider die Grenzbeamten für den europäischen Cyberspace geben sollen. EDRI unterstrich nach der Veröffentlichung, dass der nicht namentlich genannte ungarische Ratsvertreter Kinderpornographie nur als Einstieg in das System bezeichnet hatte.

Das deutsche Innen- und Justizministerium hatten sich unmittelbar nach ersten Berichten Ende April distanziert. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger befürwortet weiterhin das Prinzip "Löschen statt Sperren". In der nun veröffentlichten Präsentation des ungarischen Ratsvertreters wird das deutsche Websperrengesetz, für das inzwischen der Entwurf eines Aufhebungsgesetzes vorliegt, noch als Vorbild dargestellt. In dem Begleitschreiben (PDF-Datei) an Article 19 wird die Idee vom "virtuellen Schengen" nun nicht als offizielle Position der ungarischen Präsidentschaft dargestellt.

Aus den Schlussfolgerungen der von der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft organisierten Konferenz zum Thema Cybercrime im April lässt sich eine mögliche Marschroute für die Ratssitzung am 9. Juni ablesen. Dort sollen voraussichtlich die geplante Richtlinie zur besseren Zusammenarbeit der EU-Staaten bei der Abwehr von Cyber-Attacken und die Richtlinie zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung auf den Weg gebracht werden.

Auf der Cybercrime-Konferenz hatte die ungarische Präsidentschaft von einem bedeutsamen Durchbruch gesprochen, der allerdings offenbar vor allem das Strafmaß bei Cyber-Attacken betraf. Die Mitgliedsstaaten würden einstimmig den Geist, die Richtung und grundsätzlich den Inhalt des Ratsvorschlags zur Cyberangriffs-Richtlinie unterstützen. Zu den Netzsperren, die in der Richtlinie zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung zu finden sind, heißt es demgegenüber, es gebe unterschiedliche Meinungen unter den Mitgliedsstaaten, inwieweit es reiche, Kinderpornographie zu sperren, anstatt sie zu löschen. Einige Mitgliedsstaaten hielten eine Sperrung für ausreichend, andere wollten die Seiten gelöscht sehen; eine dritte Gruppe befürworte, beide Ansätze zu kombinieren. (anw)